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KHM: Kunstwerke als Bühnen-Bilder für Literatur

16.09.2010 | 10:53 |  (DiePresse.com)

Für das Projekt "Ganymed Boarding" haben 16 Autoren Texte zu 16 Gemälden geschrieben. Darunter Elfriede Jelinek, Peter Handke, Juli Zeh und Karl-Markus Gauß. Gelesen wird sogar nackt.

Literatur zur Kunst: Am Mittwochabend feierte das Projekt "Ganymed Boarding" in den Sälen der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums (KHM) Premiere. Mehr als 400 Besucher lockte dieses "Gipfeltreffen von Kunst, Literatur und Musik" zu 16 Stationen, an denen die Bühnen-Bilder lebendig wurden und das stumme Museum zu sprechen begann.

16 Autoren, von Elfriede Jelinek bis Peter Handke, von Juli Zeh bis Angelika Reitzer, haben Texte zu 16 ausgewählten Gemälden geschrieben. Die Bilder selbst werden an den "Ganymed Boarding"-Abenden zu Schauplatz, Lust- und Streitobjekt, Innen- und Außenansicht, Konterpart und Lehrstück. Auf die Premiere folgen sechs weitere Termine.

Frei im Museum herumwandernd, wird die Gemäldegalerie für den Besucher zu einem kuriosen Labyrinth, in dem hinter jeder Ecke ein hautfarben bekleideter Schauspieler, bereit zur Deklamation, lauern kann.

Nackt vor Rubens' "Pelzchen"

Vielleicht auch "nackt". Für Thomas Glavinic' gleichnamigen Text zu Rubens' "Pelzchen" zieht sich Vivien Löschner nicht nur aus, sie fordert ihre Gäste auch auf, genau hinzuschauen. "Ich liebe Blicke", lächelt sie und aus der anfänglichen Pose des Rubens-Modells wird ein selbstbewusstes Plädoyer für die Schönheit des Körpers und die Wahrhaftigkeit der Kunst.

Erni Mangold betreibt mit Franz Schuh Handhaltungspsychologie am Porträt des "Humanist Jacob Ziegler", Jaschka Lämmert erzählt vom "Kindermord zu Bethlehem" in Ferdinand Schmatz' grausam plastischen Worten aus der Täterperspektive. Sven Philipp lässt sich und seine Zuhörer von Peter Handke mitnehmen in den "Großen Wald" Jacob von Ruisdeals in den er sich grelle Moose, plötzliche Tümpel und zarten Nebel hinzufantasiert hat.

Jelinek über Velazquez' "Infantinnen"

Wie unterschiedlich die Interpretation ausfallen kann, zeigen Doris Uhlich und Anne Bennent, die sich bei den "Prinzessinnen" abwechseln: Den eindringlichen Furor Jelineks bei ihrer Betrachtung von Velazquez' ausstaffierten "Infantinnen" - "eingenäht in ihre Reifröcke!" - packt Tänzerin Doris Uhlich mit beinahe körperlicher Gewalt an, während sich Bennent mitten unter ihre Zuhörer setzt und sie und sich selbst langsam und leise von der Irritation zur Entrüstung steigert.

Ihr Setting haben Produzent Peter Wolf und Regisseurin Jacqueline Kornmüller (Gruppe "Wenn es soweit ist") stimmungsvoll gestaltet. Ihre Darsteller sind nur leicht bekleidet, meist in hautfarbener Unterwäsche, dazu ein wenig Pelz - sie wirken selten wie ein Museumsguide und oft wie ein Teil der Kunstwerke. Wieder und wieder spulen sie die Texte durch den Marathon des Abends ab. Die kurzen Pausen nutzten viele Besucher, um nahe an die Gemälde heranzutreten - und ihr eigenes Zwiegespräch mit den Alten Meistern zu halten.

Die ausgewählten Bilder


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