19.09.2003 15:57
Neues im MUMOK
Ausstellungen von
Darboven und Buckingham, Symposion "Public Affairs" - Foto
Wien - Konstruktionen von Geschichte sind das gemeinsame Thema
zweier Ausstellungen, die Freitag Abend im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig
Wien (Mumok) eröffnet werden. Bis 23. November zeigt das Mumok auf zwei Ebenen
erstmals die zentrale Rolle des Buches als Werkform im Schaffen der deutschen
Konzeptkunst-Gründerfigur Hanne Darboven, die im Vorjahr auch (bereits zum
zweiten Mal) auf der documenta in Kassel vertreten war. In der Mumok Factory ist
bis 16. November eine in Wien angesiedelte Filminstallation des US-Künstlers
Matthew Buckingham zu sehen.
Darboven
Mit der 1970/71
entstandenen Arbeit "Ein Jahrhundert (Bücherei)" besitzt das Mumok seit 1979
nicht nur eines der frühen Hauptwerke von Hanne Darboven, sondern auch eines der
wichtigsten Werke der Konzeptkunst überhaupt. Seit den späten 60er Jahren
entwickelte die 1941 geborene Hamburgerin Systeme, um Zeitabläufe mit Zahlen zu
dokumentieren und zu visualisieren. Aus Kalenderdaten zieht sie Quersummen und
übersetzt sie in geometrische Formen, so dass zeitliche Erstreckung sinnlich
erfahrbar wird. "Es gibt immer einen Code dahinter, den man knacken muss",
erläuterte Darhoven-Spezialist Ernst Busche am Freitag im Rahmen einer
Presseführung. Dennoch, betont Kuratorin Eva Badura-Triska: "Sie ist eine
bildende Künstlerin und keine Mathematikerin."
Neben seriellen
Einzelblättern wählte Darboven schon früh immer wieder das Medium Buch, dessen
Rezeption beim Lesen oder Durchblättern wiederum einen zeitlichen Vorgang
darstellt. Anders als zu Beginn ist das tatsächliche Durchblättern der Bücher im
Lauf ihrer Musealisierung heute allerdings nicht mehr möglich. In "Existenz"
etwa bündelt Darboven ihr Leben buchstäblich zu einer Installation ihrer
privaten Taschenkalender von 1966 bis 1999. "Es ist wichtig, dass das abgelegte
Leben eine skulpturale Qualität bekommt", erläutert
Badura-Triska.
Katalog erhältlich
Die Ausstellung im Mumok
umfasst 2.600 Blätter sowie 1.440 Bücher und Aktenordner aus Darbovens
ausuferndem Werk, zusammengestellt vom Westfälischen Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte, und von der Künstlerin selbst gestaltet. Ab Mitte der 70er
Jahre integrierte Darboven auch Textzitate und Bildmaterial sowohl aus
historischen als auch privaten Quellen und transportierte auf diese Weise
konkrete und politische Botschaften. In "Welttheater" etwa, entstanden 1979 im
"Jahr des Kindes", mit Sammelbildchen, die in den 20er Jahren von der
Kaffeefirma Darboven (ihren Vorfahren) ausgegeben wurden.
Seit 1979
übersetzt Darboven Zahlenfolgen auch in Musik. Im Rahmen der Ausstellung kommen
auch zwei ihrer minimalistisch-seriellen Kompositionen zur Aufführung. Mit einer
Reihe von Ausstellungsgesprächen soll zudem, so Mumok-Direktor Edelbert Köb.
"die spröde und komplexe Kunst dem Publikum näher gebracht werden". Als Katalog
ist ein Werkverzeichnis von Darbovens Büchern erschienen (ISBN 3-88375-565-6, 26
Euro).
Buckingham
Der Film "A Man in the Crowd" des 1963 in
Nevada (Iowa) geborenen New Yorkers Matthew Buckingham basiert auf Edgar Allan
Poes Erzählung "The Man in the Crowd". Buckingham hat die Geschichte, in der ein
Kaffeehausgast einen ihn faszinierenden älteren Passanten unauffällig durch die
Stadt verfolgt, um Näheres über ihn in Erfahrung zu bringen, vom fiktiven London
(Poe war nie dort) des 19. Jahrhunderts ins Wien der Gegenwart
versetzt.
Via Doppelprojektion des 20-Minuten Loops (mit Heinrich Herki,
Hary Prinz, Oscar Blaha und Doris Gaisch) durch halbverspiegeltes Glas wird auch
der Zuschauer in das Szenario einbezogen. Ein gleichnamiges Buch (12 Euro) führt
die theoretischen Fragestellungen u.a. zu Narrativität und
Geschichtskonstruktion weiter.
Symposion "Public
Affairs"
Sind kritische Positionen aufführbar? Das Symposion "Public
Affairs - Performance als politisches Handeln" bringt vom 26. bis 28. September
Künstler, Musiker und Vortragende zusammen, um "bekannte Situationen des
öffentlichen Auftritts auf ihre performativen Qualitäten hin zu untersuchen,"
wie es in einer Presseaussendung heißt. Mit dabei sind unter anderem der Wiener
Elektronikmusiker Christof Kurzmann, die amerikanische Künstlerin Andrea Fraser
und der französische Choreograf Xavier Le Roy.
Vorträge, Performances und
Konzerte wechseln sich bei dem Symposion ab. So können verschiedene Formen der
Aufführung direkt auf ihr Verhältnis zu kritischen und emanzipatorischen
Anliegen hin betrachtet werden. "Eyewitness", eine Performance von Judith Hopf
und Katrin Pesch, eröffnet das Symposion am Freitag, den 26. September, um 18
Uhr. Samstag und Sonntag beginnen die Veranstaltungen jeweils um 16 Uhr. Die
Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. (APA)