Salzburger Nachrichten am 24. April 2002 - Bereich: kultur
Fotografie als Malerei

"Augenblick Foto/Kunst" im Essl-Museum

Mit "Foto/Kunst" gewährt das Essl-Museum in Klosterneuburg erstmals Einblick in den bisher aufgebauten Bestand an künstlerischer Fotografie, erweitert um Leihgaben. Die Qualität des bisher Erworbenen ist beachtlich: Die Künstlerliste vereint so prominente Namen wie Nan Goldin, Tracey Moffat, Shirin Neshat, Cindy Sherman oder Thomas Struth, auffallend ist der hohe Anteil an Fotokünstlerinnen.

Die Schau setzt über die Präsentation des von Karlheinz Essl Gesammelten hinaus auch einen thematischen Schwerpunkt. Sie untersucht das dialektische Verhältnis zwischen Malerei und Fotografie und ihre unterschiedlichen Näherungen.

Einige "Momentaufnahmen" wirken auf den ersten Blick wie Malerei, so die Farbaufnahmen aus dem endlosen Häuser- und Schienengewirr Tokios von dem Düsseldorfer Thomas Struth, in realistischer Überzeichnung scheint das Geschehen in der menschenleeren Metropole erstarrt zu sein. Der Ire Sean Scully wiederum dokumentiert die Quelle seiner an Flaggen erinnernden Farbflächenmalerei: Es sind Farbfotografien verfallender Hauswände.

Gerhard Richters monumentales "Wolkenfenster" von 1970, ein Prunkstück der Essl-Sammlung, ist die Übertragung einer schwarzwei-ßen Fotovorlage, wobei sich Details daraus im malerischen Prozess verselbstständigen.

Die Auswahl berücksichtigt auch technische Experimente wie die Linsenrasterfotografien von Alfons Schilling und widmet sich ebenso dem Familienporträt als besonderem Metier der Fotografie: Dem aus Wien gebürtigen, in New York lebenden John H. Silvis gelingen berührende Studien menschlicher Beziehungen.

So ergibt sich ein Einblick in die vielfältigen Strategien heutiger Fotografie, die beispielsweise auch das Rollenspiel, Verkleidung und das Verstecken hinter der Maske wie bei Cindy Shermann umfasst.

GÜNTHER FROHMANN

Bis 30. Juni, Di. bis So. 10-19 Uhr, Mi. bis 21 Uhr.