Tanja Ristovski im Gespräch


Tanja Ristovski wurde 1969 in Belgrad geboren, wo sie die Kunstakademie absolvierte. Seit drei Jahren ist sie auf der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien eingeschrieben. In den Klassen von Valie Export und Michelangelo Pistoletto entstanden "Here We Go" (1996) und "Strange Things Are Rolling" (1998). Heuer sind von Ristovski u.a. das Video "Rose of Memory. Rose of Forgetfullness" und die CD-ROM "Ideosyncrasy. Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen und Stoffen" erschienen. Sie ist auch auf der Ausstellung "d-APERT-utto"/"APERTO OVER ALL" auf der Biennale in Venedig vertreten.


Wie erlebten Sie als eine seit drei Jahren in Österreich lebende Serbin den Krieg?

Wir hatten in Serbien keine echten Zerstörungen oder direkte Konfrontationen mit Gewalt. Wir erlebten eher die "side-effects" des Krieges. Mir kam es vor wie ein schlechter Traum. Natürlich gab es Konsequenzen, aber nicht so wie in Kroatien oder Bosnien, wo alles zerstört wurde. Wir waren nicht in der direkten Situation von Krieg, Blut und Massakern.

Welche Rollen spielten Post-Kommunismus und der Krieg im täglichen Leben?

Das tägliche Leben war stark durch den Krieg infiziert. Aber wir hatten andere, ökonomische und moralische Krisen. Wir waren eingeschlossen. Wir als Serben sind nach wie vor eine "closed society". Künstlerische Möglichkeiten waren und sind noch immer sehr beschränkt. Eine "offene" Gesellschaft gibt es meiner Meinung nach nicht; und schon gar nicht unter einem Regime wie dem von Milosevic.

Worum geht es in Ihren Arbeiten? Können Sie einige Tendenzen aufzeigen?

Meine letzte Arbeit behandelte den Krieg. Was ich zeige, sind Unterschiede zwischen meinen Erfahrungen mit Krieg und seiner Repräsentation in den Medien, hier in Österreich, in Jugoslawien oder wo anders. Es gibt auch einen großen Unterschied was "Identitäten" anlangt. Ich habe als Serbin eine Identität, aber wenn ich aus Serbien hinaus gehe, bin ich mit anderen Ideologien und anderen Medien konfrontiert. Eine Tendenz könnte sein, diese unterschiedlichen "Realitäten" aufzuzeigen.

Wenn man aus einem Land kommt, das als Synonym für Krieg und Massaker gehandelt wird, verändert sich zwangsläufig die Wahrnehmung dem Anderen gegenüber und auch sich selbst gegenüber. Für mich ist die persönliche Erfahrung am wichtigsten. Bilder, Images und Texte beziehen sich darauf.


Krieg ist also ein integraler Teil Ihres Lebens?

Ja. Ich war betroffen von der Situation, hilflos zu sein und, als Zivilist, nichts tun zu können.

Was sind Ihre Eindrücke der Belgrader Kunstszene?

Generell ist meine Einschätzung, dass unsere Szene dort natürlich ghettoisiert ist. Künstler sind in einer seltsamen Situation: Sie wollen sich nicht von den Strukturen der Macht vereinnahmen lassen, sie sind produktiv, aber es gibt keinen "social impact". Wenn man sich den Mechanismen der Macht nicht anschließt, wird man ignoriert. Man erhält keine Unterstützung durch die Medien. Dadurch ist man darauf angewiesen, von lokalen Gruppen unterstützt zu werden.
Die Arbeiten sind durch den Krieg nicht weniger geworden, sie sind in der Folge nur "unsichtbarer" geworden.

1993 postulierte der Philosoph Slavoj Zizek, dass die ehemaligen totalitären Strukturen durch einen Staat auszutauschen seien, der weder über geografische noch ethnische Voraussetzungen verfügen sollte. Allerdings wendet er ein, dass durch den Wegfall der staatlichen Autorität keine echte Liberalisierung eintrat. Europa wandle sich immer mehr zu einem "Nicht-Staaten-Gebilde", in dem die staatlichen Mechanismen ihren verbindlichen Charakter verlieren.

In gewisser Weise hat sich dieses Konzept für Serbien erübrigt. Wir haben durch Milosevic ein totalitäres Regime. Ich sehe eine Veränderung erst dann, wenn er gestürzt ist. Offiziell haben Zivilisten vielleicht Rechte, aber sie werden schlecht behandelt. Für mich ist Serbien eine "twilight zone", weil nach außen hin so getan wird, als sei alles in Ordnung. Nichts funktioniert, aber irgendwie funktionieren die Menschen.

Wo liegen die Unterschiede in den Produktionsbedingungen zwischen Österreich und Jugoslawien?

Hier in Österreich hat fast jeder Fünfte eine Videokamera. In Belgrad Videos zu machen, ist ein Knochenjob. Der Zugang zu Medien, ob nun Video oder Multi-Media, ist schwierig. Dieses Defizit kann sich im Gebrauch und im Umgang mit dem Medium ästhetisch niederschlagen. Darüber hinaus sind jugoslawische Künstler noch immer nicht in eine Kunstszene integriert. Sie existieren, sind aber "separated". Nach den Bombardements war für kurze Zeit ein gesteigertes Interesse zu spüren, aber sie befinden sich noch immer in einem Ghetto.

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