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vom 09.12.2005 - Seite 022
GEGENWARTSKUNST: Werkschau Esra Ersens im Linzer O.K

Videobotschaften in Sachen Identität

VON FRANZ THEK

Die türkische Gegenwartskünstlerin Esra Ersen ist erst 35 Jahre alt, braucht sich dem Kunstbetrieb aber nicht anzudienen. Kunstvermittler suchen von sich aus den Kontakt. Dennoch ist ihre Maxime: "Niemand kommt zu mir. Ich muss zu den Leuten gehen." Damit meint sie ihre "Helden", mit denen sie arbeitet.

Das O.K Centrum für Gegenwartskunst in Linz hat der Istanbulerin nun als erste große Einzelausstellung eine Werkschau mit Arbeiten aus den Jahren 1998-2005 gewidmet. Neun Videoprojekte samt Rauminstallationen, Projektdokumentationen, Fotos als Nachdenkanstoß.

Original mit Untertiteln

Die Videos in Originalsprache wurden unter der Kuratorenschaft von Genoveva Rückert und Martin Sturm im Medienstudio mit deutschen Untertiteln versehen. Ein Unterfangen, das so eine größere Publikumsschicht anzusprechen vermag.

Esra Ersen, die sich Themen wie Identität, Migration und Integration verschrieben hat, ließ sich auch zu einem Linzer Projekt überreden. Schüler der Integrationsklasse der Teistlergutschule wurden für eine Woche in Schuluniformen gesteckt. Ihre Erlebnisse, Reaktionen und Erfahrungen daraus wurden dokumentiert.

Persönlichkeit verdeckt

Die Einheitskleidung überdeckt Identitäten, läßt eine Persönlichkeit von diversen Warten überdenken. Aussagen zum Experiment, das Ersen bereits in Deutschland und Korea durchführte, wurden anschließend auf die Uniformen gedruckt und sind nun auch so augenfällig.

Ein anderes Videounterfangen - "Strafraum" - ist derzeit nicht nur in Linz, sondern auch in der Schau "Rundlederwelten" in Berlin als künstlerische Beigabe zur kommenden Fußball-WM zu sehen. Esra Ersen hat auch hier mit Identität gearbeitet. Aus der deutschen Fahne wird der schwarze Streifen entfernt, so dass nur noch Rot und Gelb übrig bleiben - die Farben des Istanbuler Fußballklubs Galatasaray.

Die Werke Ersens zeigen stets eigenständige Herangehensweisen an den Kern der Sache. "Ich arbeite umgekehrt wie ein Journalist", sagt sie. "Ich baue Freundschaften auf und lasse mir Zeit. Ich will die Leute nicht nutzen, ihr Potenzial muss von alleine kommen."

Verständlicher Zugang

Diese Werkschau gibt Denkanstöße und verleiht exemplarisch dem Begriff von Gegenwartskunst einen verständlichen, überschaubaren Rahmen um Inhalte der Jetztzeit.

Info: Bis 15. Jänner. Telefon 0732 /Ê78 41 78-0. www.ok-centrum.at

Die Uniform beeinflusst sogar Körperhaltung. (O.K/Saxinger)


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