Die BAWAG Foundation zeigt Sam Taylor-Wood
Altäre vergänglicher Emotionen
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Turner-Preisträgerin Sam Taylor-Wood (Jahrgang 1967)
widmet sich nicht nur heute so zeitgeistigen Themen wie Isolation,
Entfremdung und Einsamkeit in einer Gesellschaft im Wandel: Von der oft
autistischen Atmosphäre vieler in Selbstverliebtheit versunkener Künstler
und Künstlerinnen haben ihre großen Foto-Leuchtkästen wenig. Es tauchen
kunstimmanente Fragen auf, die selbst an Albertis Historia-Begriff
orientiert sind, und an Form, Thema und Komposition von
Frührenaissance-Altären erinnern. Das vielteilige Foto "Soliloquy II"
zeigt einen Freund der Künstlerin auf Ibiza inmitten eines Rudels wilder
Hunde; er agiert wie ein heiliger Franziskus. Unter dem großen Teil ist
eine Art Predella angebracht, die jenen Mann in erotischen Verstrickungen
zeigt, von denen man nicht weiß, ob sie Traum, Wunsch oder Realität sind.
Die gekachelten Räume sind durch einen Panoramablick der Wirklichkeit
entzogen: Dieser erotische Simone Martini oder Uccello dient der Schau in
der BAWAG Foundation bis 29. November als Einladungsbild. Mit einer
historischen Kamera der Royal Air Force hat Taylor-Wood auch
Panoramafotografien wie "Five Revolutionary Seconds III" 1996 erarbeitet;
dabei sind in den Prunkräumen einer Villa Personen versammelt, die in
verwirrender Reihenfolge im Geschlechtsakt wie im Gespräch vereint sind -
doch am Ende der Erzählung sind ein Mann und eine Frau allein. Topoi der
europäischen Kunstgeschichte oder aus erotischen Holzschnitten Japans um
1900 tauchen auf. Letztere verwendete die Künstlerin auch für ihren "The
Passion Cycle I-XXV" (2002). Schon mit der neuen Perspektive des
Panoramabilds kommt es zu einer neuen Empfindung von Zeit für die
Betrachter; nur im Vorbeiwandeln ist die ganze Geschichte ablesbar. In
"Sustaining the Crisis" von 1997 wird mit der Doppelprojektion zweier
Videos die Gegenüberstellung von Emotionen auch als verschiedenes
Zeitempfinden eines Mannes und einer Frau dargestellt. Anders als das
kleine, intime Guckkastenprinzip der Passionsserie sind weitere Ikonen der
Kunstgeschichte, die den Verfall eines wunderbaren Chardin-Arrangements
tatsächlich vor Augen führen: In "Still Life" und "A Little Death"
verwandeln in Zeitraffer Würmer und Schimmelpilze Pfirsiche und einen
hängenden Hasen in verrottete Haufen. Parallel zu Dürers Hasenpräsenz in
Wien ist dieser hängende Kadaver fast eine Metapher für das Verhältnis
alter und neuer Kunst in dieser Stadt. Das war zwar sicher nicht
Taylor-Woods Intention, jedoch hat sie mit dem Video "Hysteria" (1997)
sehr wohl den Bezug zwischen London und Wien angesprochen: Sigmund Freud.
Eine Schauspielerin weint und lacht tonlos, sie bewegt sich zwischen
Euphorie und Schmerz; der stille Schreckensrausch in Zeitlupe spricht von
den Erfahrungen schwerer Krankheit. Die Kulturwissenschaftlerin
Elisabeth Bronfen hat zu dieser Arbeit von Taylor-Wood über die "Ästhetik
der Hysterie", auch als allgemeiner Aspekt in der Kunst der Gegenwart,
geschrieben. Die Orientierung an Filmen muss zur europäischen
Kunstgeschichte, die neben Chardin auch den toten Christus von Holbein in
neue fotografische Gestalt bringt, aber auch genannt werden.
Erschienen am: 14.11.2003 |
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