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Genève
Erwin Wurm im Centre pour l’image contemporaine
von Marguerite Menz

Eine Person trägt eine Schüssel zwei Jahre lang über dem Kopf. Die Ausstellung ‹Sleeping for 2 Months› des österreichischen Künstlers Erwin Wurm (*1954) im Genfer Centre pour l’image contemporain zeigt weit mehr als seine One Minute Sculptures, für welche er bisher in erster Linie bekannt geworden ist.

Lebt und arbeitet in Wien? Erwin Wurm zögert. Er nomadisiert wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, wie die Maler und Bildhauer früherer Zeiten, die mal hier, mal dort in einem Kloster, einer Kirche oder in einem Palais Altäre und Wandgemälde geschaffen haben. Gestern Taipei, heute Genf, morgen New York. Ein Hotelzimmer in Liverpool wird zum Atelier auf Zeit. Bett, Papierkorb oder Koffer dienen in ‹Adelphi, 1999› als Requisiten, um eine Folge von Minutenskulpturen auf ein Videoband zu bannen. In einer x-beliebigen Strasse in Athen erscheint in einer kurzen Frequenz ein Arm, und die Hand klemmt einen Bleistift an eine Hausfassade, ‹Athens 6.9. 2000›. Sichtbare Spuren hinterlässt Wurm kaum. Der achtzehn Meter lange Sockel, Laufsteg und Bühne für die Akteure seines Welttheaters, wird nach der Genfer Ausstellung wieder abgebaut. Übrig bleiben davon vielleicht die kleinen Zeichnungen mit den Regieanweisungen und ein Video, das leicht im Handgepäck des Reisenden verstaut werden kann.

In Genf nun sprengt Wurm den uns bei ihm vertrauten zeitlichen Rahmen. Aus Minuten werden Monate und Jahre. Der Mann im Video ‹A Person Carrying a Bowl over the Head for 2 Years›, 2000/2001, ist eine Wanderskulptur, dazu verdammt, eine Schüssel immer und überall mitzutragen, unter der Dusche, beim Autofahren, beim Schwimmen und Spazierengehen – wer weiss, ein Alter ego des Künstlers, für den Kunst und Alltägliches fliessend ineinander übergehen. Bleibt da noch Zeit für Müssiggang? ‹Instruction for Idleness› betitelt Wurm seine neueste Fotoserie mit Selbstbildnissen, in der er sich in Wort und Bild, ironisch und ernsthaft zugleich, mit dem Selbstverständnis des Künstlers auseinander setzt: ‹don’t work›, ‹stay in your pyjama all the day›, ‹be indifferent about everything› – nein, das bin ja nicht wirklich ich, schmunzelt er, aber warum nicht mal zwei Monate schlafen.

Zur Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit The Photographer’s Gallery in London ein Katalog erschienen.

Bis 25.3.2001

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Ausgabe: 03 / 2001
Ausstellung: ( - )
Institution: Centre pour l’image contemp. Saint-Gervais (Genève)
Autor/in: Marguerite Menz
Künstler/in: Erwin Wurm