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Lebt und arbeitet in Wien?
Erwin Wurm zögert. Er nomadisiert wie viele seiner Kolleginnen und
Kollegen, wie die Maler und Bildhauer früherer Zeiten, die mal hier, mal
dort in einem Kloster, einer Kirche oder in einem Palais Altäre und
Wandgemälde geschaffen haben. Gestern Taipei, heute Genf, morgen New York.
Ein Hotelzimmer in Liverpool wird zum Atelier auf Zeit. Bett, Papierkorb
oder Koffer dienen in ‹Adelphi, 1999› als Requisiten, um eine Folge von
Minutenskulpturen auf ein Videoband zu bannen. In einer x-beliebigen
Strasse in Athen erscheint in einer kurzen Frequenz ein Arm, und die Hand
klemmt einen Bleistift an eine Hausfassade, ‹Athens 6.9. 2000›. Sichtbare
Spuren hinterlässt Wurm kaum. Der achtzehn Meter lange Sockel, Laufsteg
und Bühne für die Akteure seines Welttheaters, wird nach der Genfer
Ausstellung wieder abgebaut. Übrig bleiben davon vielleicht die kleinen
Zeichnungen mit den Regieanweisungen und ein Video, das leicht im
Handgepäck des Reisenden verstaut werden kann.
In Genf nun sprengt
Wurm den uns bei ihm vertrauten zeitlichen Rahmen. Aus Minuten werden
Monate und Jahre. Der Mann im Video ‹A Person Carrying a Bowl over the
Head for 2 Years›, 2000/2001, ist eine Wanderskulptur, dazu verdammt, eine
Schüssel immer und überall mitzutragen, unter der Dusche, beim Autofahren,
beim Schwimmen und Spazierengehen – wer weiss, ein Alter ego des
Künstlers, für den Kunst und Alltägliches fliessend ineinander übergehen.
Bleibt da noch Zeit für Müssiggang? ‹Instruction for Idleness› betitelt
Wurm seine neueste Fotoserie mit Selbstbildnissen, in der er sich in Wort
und Bild, ironisch und ernsthaft zugleich, mit dem Selbstverständnis des
Künstlers auseinander setzt: ‹don’t work›, ‹stay in your pyjama all the
day›, ‹be indifferent about everything› – nein, das bin ja nicht wirklich
ich, schmunzelt er, aber warum nicht mal zwei Monate schlafen.
Zur
Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit The Photographer’s Gallery in London
ein Katalog erschienen.
Bis 25.3.2001
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