Generali Foundation: "unExhibit" nimmt die
legendäre Schau "an Exhibit" zum Vorbild
Die Auflösung des Raums
|
Ein Stahlträger lädt zum kunstphilosophischen Diskurs: Ann Veronica
Jannssen Arbeit in der Generali Foundation. Foto: Margherita Spiluttini
|
Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00092174-Dateien/wzfeld.gif)
Der Anlass
liegt weit zurück: 1957 hatten Mitglieder der englischen Independent
Group – Richard Hamilton, Victor Passmore, Lawrence Alloway – Raum und
Ausstellungsmöblierung thematisiert. Hauptdarsteller von "an Exhibit"
war der Besucher selbst. In "unExhibit", nun in der Generali Foundation
zu sehen, wird diese Strategie neu verhandelt. Die künstlerischen
Methoden breiten sich jetzt auf Film und Projektion aus.
Heutige Künstler denken nach über den Entzug der hier sonst
vorhandenen Realität, also über das Verbergen, den Verlust von Kunst.
Wenn dem Ausgestellten also zuerst der Kunstcharakter abgesprochen wird,
um ihn dann doch wiederzubekommen, klingt das schon nach unsinnlicher
Verkopfung.
Für einen Konzeptualisten wie Heimo Zobernig jedoch ist der Raum der
Generali Foundation ohnehin das Mekka von Darstellungsflächen. Er
verdoppelt die bestehende Wand durch eine weitere, die semitransparent
mit silbrigem Geflecht überzogen ist: ein unbestimmten Etwas zwischen
Architektur, Skulptur und Bühnenbild. Erst wenn man dieses Double umgeht
oder – im wahrsten Sinn des Wortes – durchschaut, landet man beim
Original.
William Oorebeek hat die Flächen mit einer Punktraster-Tapete optisch
nahezu aufgelöst. Er zieht einem da gleichsam den Boden unter den Füßen
weg, lässt aber zentral ein weißes Viereck als Leinwandzitat stehen:
Hier hat der Betrachter Platz für die Projektion eines eigenen Bildes
aus dem dunklen Inneren des Selbst.
Oorebeek ist Drucktechniker und kennt das Verändern und Löschen von
Originalen durch Reproduktion. Er konfrontiert den Besucher mit dunklen
Zwittern. Zum einen ist da ein türgroßes Objekt am Ende des Raumes, das
unter seiner spiegelnden Oberfläche einen genoppten Pirelli-Bodenbelag
verbirgt. Die Spiegelung des eigenen Körpers und der anderen Werke im
Raum täuschen vorerst über die haptischen Qualitäten des Objekts hinweg.
In seinen "Blackouts" taucht Oorebeek eigene Lieblingsbilder (Plakate
der Mary Kelly-Ausstellung der Generali-Foundation) in tilgendes
Schwarz, belässt aber die Konturen als Wechsel im Oberflächenglanz. So
erschließt sich im Vorübergehen ein samtig-schönes Bild, dem eine neue
Aura gegeben wurde. Gemeinsam mit Joëlle Tuerlinckx baut er ein
"provisorisches Kino", soll heißen: eine Fläche, die eine Blackbox
andeutet. Dabei tapeziert er eine schräg angelegte Projektionsfläche mit
den "Blackout"-Bildern. Der "Blackout Screen" für ein Video sind Seiten
aus historischen Architekturlehrbüchern. Lichtfilm und Grund treten in
Konkurrenz, der Raum selbst löst sich in seinem Modell auf.
Schon 1994 hat Oorebeek erstmals seinen "Vertical Club" ausgestellt.
Das Label eines existierenden Fitnessclubs in New York ist samt Figuren
aus der Werbe- und Kunstwelt sind das Material für die Arbeit. Orebeek
druckt die Bilder dabei in alter Technik. Das bedeutet, dass jede
Reproduktion etwas schlechter ausfällt als die vorangegangene. Diese
Serien von Druck zu Druck verblassender Bilder verzahnt Oorebeek so
ineinander, dass neben bereits schwächelnden Drucken gute neue Drucke
hängen, die ihrerseits wieder eine neue, langsam verblassende Serie
einleiten. Dadurch ergibt sich eine Art Endlosschleife, in der – im
Gegensatz zum nicht alternden Digitaldruck – die Lebensdauer beschränkt
und der Verlust durch Verschleierung integriert ist.
Ann Veronica Janssens nimmt die filmische Untersuchung in einer Art
Licht- und Projektionslabor auf. Sie verhandelt aber auch die nicht
repräsentative Funktion eines Stahlträgers am Boden zur "Tyrannei des
Objekts".
Weiß auf Weiß ist der Wandtext "Die ungeöffnete Post des Max Foster"
von Maria Eichhorn. Sie hat 1996 genau 344 Postsendungen gesammelt, die
20 Personen an eine fiktive Person namens Max Foster geschickt haben.
Darüber kann nur schemenhaft Ludwig Wittgensteins Bemerkung, dass Farbe
nie durchsichtig ist, gelesen werden. Betrachter haben hier aber
ohnedies längst ein Abheben in Philosophie und Poesie vollzogen.
Ausstellung
unExhibit
Sabine Folie, Ilse Lafer (Kuratorinnen)
Generali
Foundation
Zu sehen bis 17. Juli
Printausgabe vom Mittwoch, 09.
Februar 2011
Online seit: Dienstag, 08. Februar 2011 19:04:00