Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Ausstellung

Deutschland, hin und zurück

Von Joachim Lange

Aufzählung Mit Ausstellungen von Werken der bildenden Kunst, die in den Jahren der Zweistaatlichkeit entstanden sind, kann man in Deutschland die Gemüter immer noch in Wallung bringen. Der Ausstellung "60 Jahre 60 Werke" im Berliner Gropiusbau war das gelungen, weil sie die etwas allzu simple Behauptung zu belegen versuchte, dass Kunst nur unter dem Schutz eines verfassungsrechtlichen Freiheitsgebotes entstehen kann. Dass dabei weit mehr, als die etwas allzu simpel und falsch als staatsnah abgekanzelte DDR-Malerei unter den Tisch der Geschichte fallen würde, haben die Berliner Kuratoren bei ihrer Ausstellung, die bis 1989 ausschließlich auf im Westen Deutschlands entstandenen Werken beruhte, schlicht übersehen.

Eine in Los Angeles zusammengestellten Schau liefert im Deutschen Historischen Museum Berlin den Kontrapunkt. Die Kuratoren Stephanie Barron und Eckart Gillen haben bei ihrer Auswahl von mehr als 300 Werken von 120 deutschen Künstlern dabei nicht etwa Beispiele der Abstraktion als Synonym der Freiheit im Westen gegen solche der sozialistisch realistischen Unfreiheit im Osten in Stellung gebracht.

Wandlung mit offenen und verdeckten Bezügen

Obwohl gerade die 50er Jahren das proklamierte neue Menschenbild und die Drohung mit der Keule des Formalismus-Vorwurfes im Osten ebenso unvermittelt in dem einen oder anderen Auftragswerk mündete, wie sich die als Freiheit von so gut wie allem postulierte Abstraktion als Gegenposition dazu besonders wild gebärdete.

Interessant sind die Wandlungen, die sich danach vollzogen. Mit offenen oder verdeckten Bezügen, aber auch Gegenläufigkeiten, wie Jörg Immendorfs Agitpropausflüge im Westen oder die bauhausinspirierte Abstraktion Hermann Glöckners im Osten.

Der Ausstellung gelingt das Kunststück, im unvoreingenommenen Nebeneinanderstellen das Gegensätzliche ohne denunziatorischen Unterton zu verdeutlichen. Sie bringt aber auch mehr Gemeinsamkeiten ans Licht, als die teils verbissen geführte deutsch-deutsche Kunstdebatte der letzten 20 Jahre vermuten lässt. Wohl auch, weil gute Kunst eben hauptsächlich von ihrer subversiven Autonomie lebt.

Aufzählung Ausstellung

Kunst und Kalter Krieg

Deutsches Historisches

Museum, Berlin http://www.dhm.de bis 10. Jänner

Printausgabe vom Dienstag, 29. Dezember 2009
Online seit: Montag, 28. Dezember 2009 17:00:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at