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09.01.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Kunst: Die Blümchen zwischen den Platten | ||
VON CLAUDIA HERSTATT | ||
Dresden. Kunst aus der Ex-DDR boomt - auch wenn sie nicht aus Leipzig stammt. | ||
Alle reden von Leipzig. Unter dem Städtenamen subsumiert sich der zeit scheinbar alles, was die gefragte deutsche Malerei rund um die Stars Neo Rauch, Tim Eitel, Martin Eder oder die international so erfolgreich operierende, in Leipzig gegründete Galerie "Eigen + Art" noch so alles zu bieten hat. Auch Thomas Scheibitz, jüngster Deutschland-Vertreter auf der Biennale Venedig, wird in Amerika schnell mal in die "Leipziger Schule" eingemeindet. Allerdings stammt er aus Dresden und hat dort mit der Galerie der Brüder Lehmann seine Karriere aufgebaut. Doch trägt man in der zeitgenössischen Szene das Label Leipzig gerne nach außen, ist die Situation in Dresden eine andere. Dass die aufblühenden Aktivitäten unterschiedlichster Art
"nicht in eine Schublade von Schulen passen" scheint Galerist Frank
Lehmann aber mehr "ein Glück. Die Reduzierung auf Städte und Stile ist
eher hinderlich. Es geht um Beweggründe, Ausgangspunkte, Umsetzung in
Kunst." Neben dem Biennale-Gast Scheibitz zählen inzwischen Eberhard
Havekost, dem an der Dresdner Kunsthochschule lehrenden Martin Honert,
Frank Nitsche und der mit ihren sperrigen Skulpturen Aufmerksamkeit
erregende Suse Weber zu stark nachgefragten Zeitgenossen. Im Juli eröffnete die Städtische Galerie Dresden, die mit
einem Bestand von 1700 Gemälde, 800 Skulpturen und 20.000 grafische
Blättern den Bogen einer 200 Jahre alten Kunsttradition bis in die
Gegenwart schlägt. Direktor Gisbert Porstmann: "Die regionalen
künstlerischen Aufbrüche Dresdens haben Weltgeschichte geschrieben, ,Die
Brücke' ist da nur ein Beispiel." Zur Unterstützung des neuen Hauses haben
Künstler, nach denen sich Sammler derzeit die Finger lecken, eine Edition
(Auflage 50) mit zehn Grafiken und Fotos beigesteuert. Die Arbeiten
u. a. von Scheibitz, Havekost, Nitsche, Franz Ackermann, Manfred
Pernice werden um 3424 € in einer feinen Holzkiste geliefert.
(www.galerie-dresden.de). Im idyllischen Loschwitz, wo sich die künstlerische Elite
der Stadt stets zuhause fühlte, zeigt Direktor Bernd Heise im
Leonhardi-Museum zeitgenössische Kunst. Im früheren Wohnhaus des "Malers
des deutschen Waldes" (1828 bis 1905) wird das Werk des Romantikers mit
wechselnden Ausstellungen etwa von Anna und Bernhard Blume, der
israelischen Zeichnerin Yehudit Sasportas oder dem französischen
Fotokünstler Yannick Demmerle konfrontiert. Ein Glücksfall für Dresdens Kunstakademie, deren 530 Studenten und überhaupt den künstlerischen Nachwuchs in Sachsen und Thüringen ist der jetzt zum fünften Mal vergebene "Marion Ermer Preis". Als die Münchnerin im Rahmen der Wende diverse Immobilien in Leipzig im Wert von rund 150 Millionen DM zurück erhielt, ließ sie sich von dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden der Jenoptik, Lothar Späth, zur Gründung einer Stiftung mit einem Kapital von zehn Millionen DM begeistern. Inzwischen konzentriert sich das Förderprogramm auf
jährlich vier junge Künstler aus den Neuen Ländern mit einem Preisgeld von
je 5000 €, einer Ausstellung, die aktuell noch bis zum 29. Januar in
der Akademie läuft, sowie eigenen Katalogen (www.hfbk-dresden.de) Heuer wurden wieder höchst unterschiedliche junge
Positionen ausgezeichnet: Jan Brokof, 1977 in Dresden geboren, arbeitet
mit dem scheinbar altmodischen Holzschnitt. In zweijähriger Arbeit hat er
mit dieser Technik sein früheres Jugendzimmer in der Chemieretortenstadt
Schwedt rekonstruiert, von der Bettdecke im schwarzweißen Blümenchendekor
bis zum trostlosen Blick aus dem Fenster auf die nächste Platte. Jan
Brokof wird von der Dresdner Galerie Baer vertreten, einer von etwa vier
ernst zu nehmenden, über die Stadtgrenzen hinaus operierenden Galerien.
Die Gebrüder Lehmann mit Havekost und jüngst Olaf
Holzapfel haben längst den Sprung auf die Art Basel Miami Beach geschafft,
Elly Brose-Eiermann (Büro für Kunst) kann mit einer auf Schloss
Wiepersdorf realisierten Videoarbeit des tschechischen Künstlers Pavel
Mirkus einen Biennale-Teilnehmer aus Venedig präsentieren. Auch Ermer-Preisträgerin Jana Gunstheimer, 1974 in
Zwickau geboren, ist mit ihren fiktionalen Tatorten wie "Der Fall
Stammsitz" auf dem Kunstmarkt bereits präsent. Der Dresdnerin Stefanie
Bühler sieht man den Einfluss ihres Professors Martin Honert mit den
seltsam verkleinerten Menschenskulpturen an. Auch sie hat den Sprung aus
der Akademie auf den Markt praktiziert, mit Hilfe der Galerie Diskurs in
Berlin. Und bis ins Goethe Institut Paris sind in diesem Jahr die
fiktiv-poetischen, maritimen Fotoarbeiten des 1976 geborenen vierten
Preisträgers, Sven Johne, vorgerückt. So glücklich die vier Preisträger dank des Ermer-Preises
auf den Markt gebracht worden sind, so hart ist das Schicksal der 1953
geborenen Stifterin. Ein zunächst eingesetzter generalbevollmächtigter
Sparkassendirektor investierte das Vermögen in Golfplätze, eine
Fluggesellschaft oder möglicherweise auch in die eigene Tasche. Marion
Ermer musste von einer Invalidenrente leben. Aufgrund einer MS-Krankheit
erblindete sie vor zehn Jahren. Bei der Preisverleihung in Dresden war sie
trotzdem dabei - im Hintergrund, aber bewundernswert präsent.
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