Salzburger Nachrichten am 13. April 2005 - Bereich: kultur
Kunst contra Glauben

Ärger mit Kunst resultiert oft aus Missverständnissen und Unwissen

Hedwig kainbergerWien (SN). Die Konfrontation von zeitgenössischer Kunst und christlichem Glauben sei derzeit nicht häufiger zu beobachten als früher. Vor allem bildende Künstler hätten immer wieder christliche Bilder und Themen aufgegriffen, sagte der Theologe und Philosoph Hartwig Bischof vom Institut für Dogmatische Theologie der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Seit die Kirche die weltliche Macht und damit die Macht über den Kunstmarkt verloren habe, also seit 100 oder 120 Jahren, gebe es viele Künstler, die mit christlichen Themen provokant umgingen.

Wenige Christen, die regelmäßig in die Kirche gingen, setzten sich mit zeitgenössischer Kunst auseinander, erläuterte Bischof am Dienstag im SN-Gespräch. Andrerseits seien unter Künstlern und Kunstkennern wenige praktizierende Gläubige. Folglich gebe es viele und tiefe Missverständnisse zwischen Kunst und Glauben.

Außerdem sei zu beobachten, dass viele praktizierende Christen die Weiterentwicklung von Zeichen und Symbolen in der modernen Kunst nicht verfolgt hätten und daher nicht verstünden. Sowohl die katholische Kirche als auch viele katholische Christen hätten die zeitgenössische Kunst bisher oft als "nicht relevant" abgetan. "Viele Gläubige sind Analphabeten", was die "Zeichensprache" der Kunst betreffe. Daher seien Reaktionen auf neue Kunst oft überzogen. Manchmal werde wegen eines neuen Kunstwerks ein Wirbel ausgelöst, obgleich deren Inhalt vom Evangelium weniger weit entfernt sei "als manches kitschige Bildchen aus einem Gebetbüchlein".

Zeitgenössische Kunst sei fast immer provozierend, sagte Hartwig Bischof. Denn jeder Künstler müsse etwas Neues schaffen und "aus der Rolle fallen". Wer dies wisse und verstehe, gehe an ein Kunstwerk mit religiösem Motiv anders heran.

Wann in einem Kunstwerk die Grenze zu Hohn und Spott über Glaube und Religion überschritten werde, sei nicht allgemein festzustellen, sondern hänge von der persönlichen Einstellung des Betrachters ab, erläuterte Hartwig Bischof.

Er bestätigte, dass sich Künstler in Europa viel öfter mit Inhalten der christlichen Religion auseinander setzten als mit jenen der jüdischen oder islamischen Religion. Doch er erklärt dies nicht mit einer besonderen Kritik oder gar Ablehnung gegenüber der christlichen, insbesondere der katholischen Kirche, sondern hat dafür zwei andere Deutungen: Was jüdische Symbole und Bilder betreffe, sei der Blick darauf noch immer mit den Gräueln der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Ein Künstler in Europa, der damit zu provozieren versuche, riskiere in Europa, "ins antisemitische Eck" gedrängt zu werden.

Hingegen würden islamische Bilder und Traditionen deshalb in der Kunst kaum verwendet, weil sie in Europa - anders als die Formensprache des Christentums - zu wenig bekannt seien.