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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14.07.2002
13:22 MEZ
Nam June Paik wird 70
Der "Großvater" der Videokunst hat mit seinen avantgardistischen Experimenten oft für Unverständnis gesorgt...

Foto: APA/Ranier Rosenow

New York - Seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren ist der Videokünstler Nam June Paik halbseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch der in New York lebende gebürtige Koreaner, der von Kunstkritikern der "New York Times" zum "Großvater der Videokunst" ernannt wurde, denkt nicht an den Ruhestand und arbeitet kurz vor seinem 70. Geburtstag am kommenden Samstag (20. Juli) an seinem nächsten Projekt. Es handle sich um ein Porträt von Senatorin Hillary Rodham Clinton auf einem riesigen Ballon, verriet Paik.

Experimente mit Karlheinz Stockhausen

Eng verbunden ist der in Seoul geborene Video-Pionier und frühere Weggefährte von Joseph Beuys mit Deutschland. Als 24-Jähriger zog der Sohn eines reichen koreanischen Industriellen von Japan nach München, wo er gegen den Willen des Vaters Musik studierte. Ende der 50er Jahre experimentierte Paik mit Karlheinz Stockhausen im Kölner WDR-Studio mit elektronischer Musik. Nach einer Begegnung mit dem amerikanischen Komponisten John Cage entwickelte der Koreaner das Konzept der Aktionsmusik, bei der Instrumente zertrümmert und zufällige Geräusche mit klassischen Klängen gemischt wurden. Als Fluxus-Aktivist und Performance-Künstler bezog Paik in den 60er Jahren das Medium Fernsehen in seine häufig sarkastischen und gesellschaftskritischen Werke ein.

"Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert, jetzt schlagen wir zurück" Bei dem Happening "24 Stunden" mit Joseph Beuys benutzte Paik eine der ersten tragbaren Videokameras und verkündete: "Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert, jetzt schlagen wir zurück", denn "nun machen wir unser Fernsehen selbst". Seine avantgardistischen Experimente trafen nicht überall auf Verständnis. Bei einem halbnackten Auftritt 1967 in New York mit der Cellistin Charlotte Moorman, für die Paik einen "TV-Büstenhalter" entworfen hatte, wurden beide Künstler von der Polizei festgenommen.

Installation aus 384 Monitoren im Pariser Centre Georges Pompidou

Nach einer Professur an der Kunstakademie Düsseldorf verschaffte sich Paik 1982 weltweit einen Namen durch eine spektakuläre Installation aus 384 Monitoren im Pariser Centre Georges Pompidou. Bei den Olympischen Spielen in Seoul errichtete er sechs Jahre später mit dem Medienturm "The More The Better" ein weiteres Großobjekt aus über 1.000 Monitoren. Seither wurde der mit der Videokünstlerin Shigeko Kubota verheiratete US-Bürger mit zahlreichen Einzelausstellungen und Preisen geehrt. Die Stadt Duisburg zeichnete ihn im vergangenen Jahr mit dem Wilhelm Lehmbruck-Preis aus "für seine wegweisenden und weltweit wirkenden Impulse der Videoskulptur und für seinen vorbildlichen interkulturellen Dialog zwischen Ostasien, Amerika und Europa".

In einem Interview mit der "New York Times" erinnerte sich Paik an seine ersten rebellischen Kunst-Aktionen, bei denen er unter anderem ein Klavier seiner Familie zerschlug: "Ich war ein radikaler Marxist, doch ich konnte mich politisch nicht verwirklichen. So brachte ich meine politische Überzeugung eben durch Auftritte zum Ausdruck." (APA)


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