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15.06.2002 - Ausstellung
Vom äußeren und inneren Sehen: Einblicke in eine Denkwerkstatt
Paul Klee: Meisterwerke aus der Sammlung Djerassi. Mit diesem Titel lockt die Kunsthalle Krems über den Sommer in die Wachau.
VON KRISTIAN SOTRIFFER


Mit den Musen kam der 1923 in Wien geborene Carl Djerassi, berühmt einer entscheidenden Erfindung als Chemiker wegen, früh in Berührung. Seine Geburtsstadt erlebte er als Kind wie ein einziges Museum, als solches empfindet er es bei seinen Besuchen noch heute. Er ist einer von jenen, die durch das Jahr 1938 zur Emigration gezwungen wurden.

Seine neue Heimat wurden die USA, und dort gelang ihm ein bahnbrechendes, die Gesellschaft revolutionierendes Ergebnis seiner Forschungen. Das war 1951 die der Empfängnisverhütung dienende "Pille". Die ließ Carl Djerassi nicht nur berühmt und mit Ehren überhäuft werden. Sie ermöglichte es ihm auch, seiner Leidenschaft für Kunst mehr und mehr die Tore zu öffnen.

Den Beginn machte seine Hinwendung zu präkolumbischer Kunst oder jener Europas vom 18. Jahrhundert aufwärts. Mit einem Künstler aber machte er sich bereits während seiner Studienzeit vertraut: Das war Paul Klee. Von ihm ließ er sich - wie er sagt - den "Eindruck von Leben, Weisheit und Spielerei" vermitteln.

Das Ergebnis seiner Konzentration auf diesen mittlerweile von allen verstandenen Poeten unter den Künstlern des 20. Jahrhunderts ist jetzt in Krems zu sehen.

"Sonderclasse"

Djerassi hält Klee für den "interessantesten" Künstler seines Säkulums. 1963 erwarb er in der Londoner Marlborough-Galerie die ersten beiden Arbeiten, eine von ihnen markiert mit den Buchstaben S CL. Klee pflegte mit dieser Chiffre seine Lieblingswerke zu kennzeichnen - sie bedeutet "Sonderclasse".

Natürlich fallen unter sie nur Teile der rund hundert, überwiegend graphischen Werke, die Carl Djerassi mittlerweile über verschiedene Kanäle zu erwerben verstanden hatte. Und zwar mit jener Ausschließlichkeit und Hartnäckigkeit, die ihn dazu veranlaßte, Paul Klee die Treue zu halten, als er sich auf "lebende", also zeitgenössische Kunst zu konzentrieren begann, alles andere veräußerte.

Seit 1984 verfügt das San Francisco Museum of Modern Art - Mitveranstalter dieser Schau - über die Sammlung als Dauerleihgabe, nach Djerassis Ableben als Schenkung. Sie vermittelt vor allem einen Einblick in Paul Klees Denkwerkstatt und Entwicklung, angefangen von früher, die Groteske pflegender Druckgraphik bis zu einem die Zähne bleckenden Biest, das aus dem Todesjahr 1940 stammt.

Fünf Jahre nach Djerassis erstem Zugriff war im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts die erste umfassende Klee-Ausstellung zu sehen (1968). Sie umfaßte vor allem Werke aus der 1960 von der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen angekauften amerikanischen Sammlung Thompson und dem vom Sohn Felix Klee verwalteten Nachlaß. Ein großer und gewichtiger Teil des umfassenden Gesamtwerks war damals bereits "gebunden".

Umso erstaunlicher die Tatsache, daß es dem Sammler gelang, immer noch wichtige Funde zu machen. Was er zusammenzutragen verstand, wird ergänzt durch zwanzig Gemälde - Leihgaben aus europäischen und amerikanischen Privatsammlungen oder Museen. Dieser Umstand bereichert die Schau entscheidend, läßt vor allem erkennen, worin Paul Klees Suche nach einer "Synthese von äußerem Sehen und innerem Schauen" gipfeln konnte.

16. Juni bis 29. September, tägl. 10 bis 18 Uhr, jeden Samstag im August bis 21 Uhr.



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