Mit „Rußland – Repin und die Realisten“ landete die Kunsthalle Krems
einen veritablen Coup, gibt die Schau doch erstmals in Österreich einen
großen Überblick über die Bewegung der „Wanderkünstler“, die zusammen mit
dem Französischen Realismus die international bedeutendsten Beiträge zu
dieser Richtung lieferte. Führende Persönlichkeit dieser von St.
Petersburg ausgehenden Bewegung, deren zentrales Anliegen die Darstellung
der „Schönheit in der Wahrheit“ war, war der Maler Ilja Jefremowitsch
Repin (1844–1930). Mit dem Monumentalgemälde „Die Wolgatreidler“ schrieb
sich der auch als Kritiker engagierte Künstler in die Kunstgeschichte ein.
Mit Verspätung ist das Bild dieser Tage in Krems eingetroffen, nachdem
es zuvor noch Herzstück der großen Repin-Personale im Groninger Museum
war, wo der Maler bezeichnenderweise als „russischer Rembrandt“ akklamiert
wurde. „Mit diesem Bild wird unsere Ausstellung gekrönt“, zeigt sich
Direktor Carl Aigner nun glücklich.
Vier Jahre lang hatte Repin an dem Bild gearbeitet. Ausschlaggebend für
ihn war der Anblick der Treidler während einer Ausflugsfahrt auf der Wolga
1868. „Monstren!“ rief er. „Wie furchtbar! Wie Vieh sind diese Menschen
aneinandergespannt. Ein unglaublicheres Bild kann man sich kaum
vorstellen!“ Was ihn zu malen interessierte und wofür er eine Unzahl von
Studien anfertigte, war der Ausdruck des Elends und der Qual, der sich in
den Gesichtern der elf Treidler widerspiegelte.
Sozialkritik
Die Wolgatreidler waren in der damaligen Kunst ein beliebtes, weil
exotisches Thema. So arbeitete Repins Kollege Wereschtschagin an einem
ähnlichen Bild – mit dem gravierenden Unterschied, daß er den Kahn von 250
Personen ziehen ließ – was unter damaligen Gesichtspunkten als Fortschritt
erachtet wurde –, Repin hingegen von nur elf. Diese Darstellungsweise rief
nicht zuletzt den Zorn des Transportministers hervor, der ihn fragte:
„Welcher Teufel hat Sie bloß geritten, daß Sie ein derart unsinniges
Gemälde malen konnten? Diese vorsintflutliche Beförderungsart wurde doch
von mir selbst aus der Welt geschafft.“
Repin ging es allerdings nicht bloß um die Dokumentation, sondern um
eine Darstellung und Anprangerung des Elends dieser Menschen. Die Malerei
erschien ihm das geeignetste Mittel, diese Kritik auszudrücken. „Unsere
Aufgabe ist der Inhalt. Das Gesicht, die Seele des Menschen, das Drama des
Lebens, die Eindrücke der Natur, ihr Leben und Sinn, der Atem der
Geschichte. Das sind unsere Themen, wie mir scheint. Die Farben aber sind
unsere Waffen. Sie sollen unsere Gedanken ausdrücken…“ (Repin an Iwan
Kramskoi).
Repins „Wolgatreidler“ rüttelten die Zeitgenossen auf. Die einen
verdammten ihn, empfanden sein Werk als „Entweihung der Kunst“. Für die
anderen war er der Herold eines neuen, progressiven Umgangs mit Kunst. Mit
der Beteiligung der „Wolgatreidler“ an den Weltausstellungen in Wien und
Paris gelang Repin der internationale Durchbruch. Zumal in Frankreich
stand seine Position nie in Zweifel. In Osteuropa war Repin ebenfalls Teil
des Kanons. Im übrigen West- und Mitteleuropa setzt die Rezeption jetzt
erst ein.
Kunsthalle Krems: „Russland – Repin und die
Realisten“, bis 7. 6. „Paul Klee – Meisterwerke der Sammlung Djerassi“,
16. 6.–29. 9. Info: 02732/90 80 10; http://www.kunsthalle.at/
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