EinGeiger steht kopf
Matthew Butson weiß, wovon er spricht. Immerhin ist er als Direktor des Londoner Getty Archivs ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Fotografie. Über Gerti Deutsch sagt er: „Sie war eine Fotojournalistin, die Pionierarbeit geleistet hat und die mehr als sonst jemand tonangebend für ihre Zeit war.“ In den 1930er-, bis hinein in die 1950er- Jahre stand der Name Gerti Deutsch häufig unter langen Bildstrecken in der „Picture Post“. Diese englische Illustrierte mit Millionenauflage galt als Maß der Dinge, wenn es um Reportagen ging.In den 1930er-Jahren fotografierte Deutsch immer wieder bei den Festspielen in Salzburg. Wie Ernst Haas schuf sie nach dem Krieg bewegende Fotoreportagen von heimkehrenden Kriegsgefangenen auf dem Wiener Ostbahnhof. Haas wurde damit weltberühmt. Gerti Deutsch und ihre Arbeit gerieten in Vergessenheit. Die aus einem gutbürgerlichen jüdischen Elternhaus in Wien stammende Gerti Deutsch arbeitete ab 1938 im Londoner Exil als eine von ganz wenigen Frauen für die „Picture Post“. Geprägt durch ihre Herkunft, war sie der Welt der Kunst sehr zugetan. Dank ihres kommunikativen Talents gelangen ihr immer wieder private fotografische Zugänge zu den Größen ihrer Zeit – wie etwa zu Yehudi Menuhin. Sie dokumentierte die Anfänge der Sommerakademie und die Arbeit von Oskar Kokoschka in Salzburg. Sie lieferte Zeitdokumente wie das Bild von Clemens Holzmeister vor der Baustelle des Festspielhauses im Jahr 1958. Deutsch hinterließ auch viele Aufnahmen, die den Alltag in Salzburg zeigen.
Zufällen und der Hartnäckigkeit von Sabine Coelsch-Foisner (Universität Salzburg) und Kurt Kaindl (Fotohof Salzburg) ist es zu verdanken, dass das fotografische Schaffen von Gerti Deutsch 22 Jahre nach ihrem Tod in ihrer alten Heimat die entsprechende Würdigung findet. Die Fotografin lebte von 1969 bis 1975 in Söllheim bei Salzburg. Schwer krank zog sie Mitte 1975 nach England zu einer Tochter, wo sie am 9. Dezember 1979 starb.
Bis 30. Juli ist eine Auswahl ihrer Arbeiten im Fotohof Salzburg (0662/84 92 96) zu sehen. Zur Ausstellung erschien ein Katalog (Die Fotografin Gerti Deutsch; Arbeiten 1935–1965; Fotohof edition). Unter dem Titel „Gerti Deutsch of Vienna“ zeichnet Amanda Hopkinson, eine Tochter von Gerti Deutsch, die Biografie der Mutter detailliert und mit vielen persönlichen Fotos illustriert nach.