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Kunstberichte
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Zu viele Bäume gepflückt?

Zu viele Bäume gepflückt?

Aufzählung (cai)Jetzt wissen wir endlich, wer fürs Baumsterben verantwortlich ist (na ja, für einen Teil davon): der Martin Krammer. Er hat jedenfalls gestanden. Nämlich ein Phantombild von der Tatwaffe geschnitzt. (Eine Kettensäge.) Außerdem hat er die Galerie vom Lang mit Beweisstücken dermaßen vollgestopft (mit Holz), dass man für ihn die Unschuldsvermutung aber wirklich nicht mehr gelten lassen kann. Ach, ist das so einer, der mit der Kettensäge durchs Gehölz rennt und schreit: "Nieder mit den Bäumen! Freie Sicht auf den Wald!"? Nein, ein sensibler Holzbildhauer, der offenbarein schlechtes Gewissen hat, weil wegen seiner Kunst Bäume dran glauben müssen. Oder würde er sonst fast zwanghaft Skulpturen von Baum stümpfen machen?

Und wenn das, was er da auf eine Holztafel gemalt hat, die Hölle für Holzbildhauer sein soll, wird man ihn wohl nach dem Jüngsten Gericht mit ein paar toten Baumstümpfen und einer Gießkanne einsperren. (Und die Fleischhauer? Müssen die ein Wiener Schnitzel mit dem Defibrillator so lange wiederbeleben, bis es muht?) Dann diese brutalen Eichkatzln. Fressen die grad einen Schwammerlsucher oder sind die Krammers Alptraum? Meistens muss man ja genauer hinschauen, denn die grotesken oder makabren Objekte (ziemlich rohe Formen) versprühen ihren Charme nicht immer sofort. Und wenn zwei Kerle ihre Köpfe in eine Fruchtblase stecken (äh, weil Männer statt Wehen Ideen haben?), ist das krampfhaft allegorisch. Doch die Putten daneben sind so hingebungsvoll schlimm, dass man dem Künstler beinah verzeiht. Und falls das ein Trost ist: Der Weihnachtsmann hat eh noch mehr Bäume umgebracht als er. Wegen dem werden jedes Jahr viele, viele Tannen "gepflückt".

Galerie Lang Wien

Seilerstätte 16, Martin Krammer, bis 13. November

Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Es werde Erleuchtung

Aufzählung (cai)Eine Glühbirne kann man auch als Heizung verwenden (weil sie so heiß wird). Und ein Werk von der Brigitte Kowanz ist so nebenbei eben noch eine Lampe. Die Schau in der Galerie Krobath ist eher sparsam. Ein roter und ein blauer "Leuchtklecks" und ein effektvoll wandernder Lichtpunkt. Und im Büro eine rätselhafte Neonschrift: "10,211.920 + 131.115 + 19,514.195 = bihegbc-." Ein komisches Menetekel. Ja, wenn als Summe "Dage-eg-gd" rauskäme, wär’ ich ein bissl weniger enttäuscht, dass das eine völlig sinnlose Buchstabenkombination ist. Denn dann hätte ich ja was andres addiert, nämlich "This doesn’t make any sense" zuerst in Zahlen umgerechnet (A = 1, B = 2 usw.), alles zusammengezählt und das Resultat (4.175.057.074) in Buchstaben rückübersetzt. Diesen simplen Code hat die Kowanz freilich am Satz "Justmake sense" durchexerziert. Wenn "bihegbc-" was bedeuten würde, wäre ich jetzt tief beeindruckt. Wäre .

Galerie Krobath

Eschenbachgasse 9, Brigitte Kowanz, bis 6. November

Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Schießen ist Blei

Aufzählung (cai)Wildbret und wild predigen – klingt verdammt ähnlich. Trotzdem wird das nicht der Grund sein, weshalb in einer Ausstellung über Hochsitze eine Kanzel steht. Noch dazu, wo der Pfarrer seinen Schäfchen von dort droben ja ins Gewissen redet , während der Weidmann seinen Rehen ins Gewissen oder sonst wohin schießt . Tja, Reden ist Silber, Schießen ist Blei. PaulHorn hat das Ding aber wenigstens mit demselben Improvisationstalent zusammengezimmert wie ein Jäger seine "Spechtlerkabine". (An die abenteuerlichsten Exemplare dieser Jagdarchitektur haben sich Walter Ebenhofer und Bertram Kober geduldig mit der Kamera rangepirscht.) Die Kanzel ist übrigens so beeindruckend, da oben kann man glatt überheblich werden.

Knoll Galerie Wien

Gumpendorfer Straße 18, "Hochsitze", bis 6. November

Di. – Fr.: 13 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr



Printausgabe vom Mittwoch, 27. Oktober 2010
Online seit: Dienstag, 26. Oktober 2010 17:18:00

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