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Kunstberichte

Lücke im Zwischenraum

Die BAWAG Foundation zeigt Arbeiten des Serben Bojan Sarcevic
Illustration
- Bojan Šar è evi è : Replace the Irreplacable (2006).  Foto: Bawag Foundation/Bernd Borchardt

Bojan Šar è evi è : Replace the Irreplacable (2006). Foto: Bawag Foundation/Bernd Borchardt

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Der 1974 in Belgrad geborene Bojan Sarcevic arbeitet in jenen Zwischenräumen, die den neueren Kunstbegriff ausmachen: Er ist einerseits Kunstforscher, untersucht Architekturen von 1954 genauso wie kulturelle Differenzen in Sachen Globalisierung, andererseits ist seine Skulptur der Architektur und dem Design verpflichtet. Sie verortet sich als Archiskulptur poetisch zwischen Bauen, dem Modell eines Baus und einem plastischem Objekt. Daneben ist es auch Superdesign, in dem es das Messing als Hauptmaterial der Nachkriegszeit entlarvt und zu neuen Wandmobiles mit bunten Zwirnfäden umfunktioniert.

Wie in anderen Fällen dieser Kunstrichtung, so entsteht auch bei Sarcevic die Versuchung, die alte Philosophie aus China aufzugreifen, in der das Rad als weniger wichtig beschrieben wird als die Luft in den Zwischenräumen seiner Bewegung. Daher kommt der feine ironische Faktor, aber auch die Poesie des Ansatzes, die Arbeiten von Sarcevic umwehen.

Die BAWAG Foundation zeigt im Erdgeschoss auch Collagen aus Schwarzweiß-Fotos der Architekturzeitschrift "Baumeister", in die Sarcevic Ornamente schneidet, um sie – gegeneinander versetzt – wieder einzukleben. Noch einmal fotografiert wirken die Räume aus Schulen, Krankenhäusern oder Bibliotheken wie dekoriert, sie gewinnen an Tiefe, erzeugen Widersprüche.

Erinnerungskultur ist auch bei der Archiskulptur "Replace the Irreplacable" angebracht: Ihre Bogen- und Streifenstruktur spielt auf die Form einer Ikone der modernen Architektur an, nämlich ein von Erich Mendelsohn gestaltetes Kaufhaus der Zwanzigerjahre.

Rückkehr der Poesie

Das mit Handwerkern gestaltete Objekt aus Birnbaumholz und Messing kann aber ebenso als eine dem Organischen entgegenkommende Behausung empfunden werden. Historischer Rückblick und subjektive Empfindung des Künstlers zeigen den Unterschied von Wissenschaft und Forschung von Künstlern klar auf. Kunsthistoriker wie Otto Pächt hatten die Poesie ausgeklammert, nun kehrt sie über die Künstler wieder in den Forschungsdiskurs zurück.

Die fragilen Hängeskulpturen aus Messing und bunten Fäden erinnern nicht nur an Werke von Karel Malich, Richard Tuttle oder Eva Hesse – sie geben sich als scheinbare Mobiles, mit wesentlicher Mitwirkung des Schattens. Prekäre Balance, manieristisch geschwungene Grundformen und fragile Wirkung wiederholen kalligraphische Anspielungen, die schon für diese Vorbilder Veränderungen des Skulpturbegriffs auslösten.

Also doch alles ein Verharren im post-modernes Zitat? – In seinem Film ohne Titel von 1999 stellt Sarcevic Lieder von Nina Simone, die sich im Amerika der Sechzigerjahre als Bürgerrechtlerin betätigte, einer Szene in Ostafrika gegenüber. Eine schwarze Frau liegt in der Stellung einer Odaliske vor ihrem Haus, die politische Dimension ist gebrochen, die Szene ist nicht gestellt.

Hier und mit seinem Künstlerbuch zur Ausstellung, in dem eine Text des Institute for Security Studies aus Paris zusammenhanglos mit seinen Werken konfrontiert wird, zeigt sich der aktuelle Unterschied der Fragestellungen.

Bojan Šar Sarcevic

Kissing the Back of Your Hand Makes a Sound Like a Wounded Bird

Zu sehen bis 1. September

Aufregende Positionen

in Sachen Skulptur.

Mittwoch, 27. Juni 2007


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