Der 1974 in Belgrad geborene Bojan Sarcevic
arbeitet in jenen Zwischenräumen, die den neueren Kunstbegriff
ausmachen: Er ist einerseits Kunstforscher, untersucht Architekturen
von 1954 genauso wie kulturelle Differenzen in Sachen Globalisierung,
andererseits ist seine Skulptur der Architektur und dem Design
verpflichtet. Sie verortet sich als Archiskulptur poetisch zwischen
Bauen, dem Modell eines Baus und einem plastischem Objekt. Daneben ist
es auch Superdesign, in dem es das Messing als Hauptmaterial der
Nachkriegszeit entlarvt und zu neuen Wandmobiles mit bunten Zwirnfäden
umfunktioniert.
Wie in anderen Fällen dieser
Kunstrichtung, so entsteht auch bei Sarcevic die Versuchung, die alte
Philosophie aus China aufzugreifen, in der das Rad als weniger wichtig
beschrieben wird als die Luft in den Zwischenräumen seiner Bewegung.
Daher kommt der feine ironische Faktor, aber auch die Poesie des
Ansatzes, die Arbeiten von Sarcevic umwehen.
Die BAWAG Foundation zeigt im Erdgeschoss auch Collagen aus
Schwarzweiß-Fotos der Architekturzeitschrift "Baumeister", in die
Sarcevic Ornamente schneidet, um sie – gegeneinander versetzt – wieder
einzukleben. Noch einmal fotografiert wirken die Räume aus Schulen,
Krankenhäusern oder Bibliotheken wie dekoriert, sie gewinnen an Tiefe,
erzeugen Widersprüche.
Erinnerungskultur ist auch bei der Archiskulptur "Replace the
Irreplacable" angebracht: Ihre Bogen- und Streifenstruktur spielt auf
die Form einer Ikone der modernen Architektur an, nämlich ein von Erich
Mendelsohn gestaltetes Kaufhaus der Zwanzigerjahre.
Rückkehr der Poesie
Das mit Handwerkern gestaltete Objekt aus Birnbaumholz und Messing
kann aber ebenso als eine dem Organischen entgegenkommende Behausung
empfunden werden. Historischer Rückblick und subjektive Empfindung des
Künstlers zeigen den Unterschied von Wissenschaft und Forschung von
Künstlern klar auf. Kunsthistoriker wie Otto Pächt hatten die Poesie
ausgeklammert, nun kehrt sie über die Künstler wieder in den
Forschungsdiskurs zurück.
Die fragilen Hängeskulpturen aus Messing und bunten Fäden erinnern
nicht nur an Werke von Karel Malich, Richard Tuttle oder Eva Hesse –
sie geben sich als scheinbare Mobiles, mit wesentlicher Mitwirkung des
Schattens. Prekäre Balance, manieristisch geschwungene Grundformen und
fragile Wirkung wiederholen kalligraphische Anspielungen, die schon für
diese Vorbilder Veränderungen des Skulpturbegriffs auslösten.
Also doch alles ein Verharren im post-modernes Zitat? – In seinem
Film ohne Titel von 1999 stellt Sarcevic Lieder von Nina Simone, die
sich im Amerika der Sechzigerjahre als Bürgerrechtlerin betätigte,
einer Szene in Ostafrika gegenüber. Eine schwarze Frau liegt in der
Stellung einer Odaliske vor ihrem Haus, die politische Dimension ist
gebrochen, die Szene ist nicht gestellt.
Hier und mit seinem Künstlerbuch zur Ausstellung, in dem eine Text
des Institute for Security Studies aus Paris zusammenhanglos mit seinen
Werken konfrontiert wird, zeigt sich der aktuelle Unterschied der
Fragestellungen.
Bojan Šar Sarcevic
Kissing the Back of Your Hand Makes a Sound Like a Wounded Bird
Zu sehen bis 1. September
Aufregende Positionen
in Sachen Skulptur.
Mittwoch, 27. Juni 2007