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25.11.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Die Seele aus dem Leib gekotzt
VON JOHANNA HOFLEITNER
Ausstellung. Wo ein Hochsitz Meeresrauschen produziert: Wieder hat ein Profi die "Jahresausstellung" an der Akademie der bildenden Künste kuratiert - mit Erfolg.

O
b es der Kick der Jahrtausendwen de war? 1999 jedenfalls hatte die Akademie der bildenden Künste am Wiener Schillerplatz die vorzügliche Idee, fortan "richtige" Kuratorprofis einzuladen, um die Werke der Studierenden zu sichten und daraus eine Ausstellung der "Namenlosen" zu machen. Den Anfang machte mit dem Schweizer Kurator Harald Szemann wohl einer der Erfahrensten seines Fachs. Im Jahres-, später 2-Jahresrhythmus übernahmen die keineswegs einfache Aufgabe mehr oder weniger prominente internationale Ausstellungsmacher wie Kaspar König, Barbara Vanderlinden, Martin Prinzhorn oder Zdenka Badovinac.

Mit dem am Grazer Kunsthaus tätigen Adam Budak kommt nun wieder ein jüngerer Kurator zum Zug. Eine Eigenheit in den Projekten des gebürtigen Polen besteht darin, dass er es liebt, das System Ausstellung gegen den Strich zu bürsten. So gab er etwa für die gerade beim "steirischen herbst" zu Ende gegangene Schau "Protections" provokant das Motto aus: "Das ist keine Ausstellung." In die "Jahresausstellung" an der Akademie stimmt Budak das Publikum ein mit dem poetischen Titel "Waking doubting rolling shining and musing. Improvisation of a faun (or on precarious life)". So verträumt-rockig die Wortgirlande daherkommen mag: Anleihe hat Budak bei Stéphane Mallarmé genommen, dem großen Pariser Sprachpuristen mit den symbolistischen Poemen voller Anklänge und Anspielungen.

Unter dem Thema "Wachen, zweifeln, wogen, schimmern, nachdenken" wird auch hier und jetzt nichts festgeschrieben, sondern eher dem Vagen, Unbestimmten, Offenen, dem Zufälligen wie auch Prekären Vorschub geleistet. Das mythologische Bild des Fauns, den Budak ebenfalls ins Spiel bringt, verstärkt die Irritation. Wer improvisiert eigentlich? Wer ist der Faun?

Will man schon nicht kokett dem Kurator die Rolle des Fauns zuweisen, so steckt zumindest in der Formulierung die Forderung nach Bereitschaft zu Offenheit und Irritation, die bei der Arbeit mit namenlosen Künstlern, wie sie Studenten für das System Kunstbetrieb darstellen, Grundvoraussetzung ist - nicht nur für den mit der Aufgabe betrauten Kurator, sondern letztlich auch für das Publikum, das zu so einer Veranstaltung so leicht nicht hinzubewegen ist. Zu Unrecht, wie die Schau zeigt!

30 Positionen hat Budak aus über 1000 Studierenden ausgewählt und daraus für die zweite Etage des Atelierhauses der Akademie einen Parcours, ja fast schon Park der verschiedensten Medien geschaffen. Schräg gestellte, in sich nochmals geknickte Stellwände signalisieren, dass das Publikum eingeladen ist, sich nicht leiten, sondern treiben zu lassen und zu flanieren. Das verleiht dem ganzen Setting eine ungewöhnliche Ruhe und Innerlichkeit, die auch die Grundstimmung der ausgewählten Arbeiten widerspiegelt. Herausragend sind die an mehreren Punkten im Raum wiederkehrenden grisaillehaften Malereien von Julia Maurer mit ihren unspektakulären Motiven wie etwa abgewandten menschlichen Körpern oder angeschnittenen Häuserwänden - Letzteres ein architektonisches Detail, das Julian Mullan präzise zum Zentrum einer ganzen Fotoserie gemacht hat.

Einen spannenden Akzent setzt Albert Mayr: Dem jungen Medienkünstler war ein ausgefahrenes Diskettenlaufwerk Vorbild für eine sechs Meter lange hochgestellte Skulptur aus bemaltem Holz.

Das Humorige, fast schon Klamaukhaft-Poetische in der Skulptur peilt dagegen Johannes Vogl an mit einem mit Sonnenschirm, Fahrradlenker, Haarföhn und Ocean Drums ausgestatteten Hochsitz, der durch einfachste Mittel Meeresrauschen und Vollmondschein produziert. Ansonsten findet sich Humor eher in einigen feinen zeichnerischen Beiträgen und Trickfilmen wieder (etwa von David Roth, David Kellner). Ganz und gar nicht leise ist schließlich die AV-Installation "Spit it!" von Katharina Cibulka + Philipp König. Gleich auf mehreren Monitoren speit eine Frau eine Flüssigkeit nach der anderen aus, kotzt sich gewissermaßen die Seele aus dem Leib. Auch das ein Gestus, der dem jungen Ausstellungsprojekt guttut.

Noch bis 2. 12. (Lehargasse 8, Wien 6).

www. akbild.ac.at

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