Salzburger Nachrichten am 13. Juli 2005 - Bereich: kultur
Identität in Stein und Glas Eine eindrucksvolle
Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien begibt sich auf die Suche nach
jüdischer Identität in der modernen Architektur.
Anne IsoppWien (SN). In den vergangenen 15 Jahren haben immer wieder
Bauwerke für jüdische Einrichtungen das Interesse der Öffentlichkeit auf
sich gezogen. Man denke nur an das erst kürzlich eröffnete
Holocaust-Mahnmal von Peter Eisenman oder das ebenfalls in Berlin
befindliche Jüdische Museum von Daniel Libeskind. Neben Museen und
Mahnmalen zählen Synagogen, Gemeindezentren und Schulen zu den in jüngster
Zeit entstandenen Bauten jüdischer Institutionen. Für die Ausstellung "Eine Zeit zum Bauen. Jüdische Identität in
zeitgenössischer Architektur", die nach Amsterdam, Osnabrück und Berlin ab
heute, Mittwoch, in Wien zu sehen ist, haben die Kuratoren Angeli Sachs
und Edward van Voolen sechzehn Bauwerke herangezogen. Neben Gebäuden aus
Deutschland, den USA und Israel werden auch mehrere Wiener Beispiele
anhand von Fotos, Plänen und Modellen präsentiert: Das Holocaust-Mahnmal
von Rachel Whiteread, das daran anschließende Museum am Judenplatz von
Jabornegg & Pálffy, zwei jüdische Schulen von Adolf Krischanitz und
der Umbau des Palais Eskeles (Jüdisches Museum) von "Eichinger oder
Knechtl". Im Zentrum der Ausstellung steht die Frage nach einer jüdischen
Architektur. Die Suche nach verbindenden Entwurfselementen ist nicht
einfach. Am ehesten wird man noch bei den Synagogen fündig: Motive des
festungsartigen Tempels oder der Wanderung und der Wüste sind in der
Cymbalista-Synagoge des Schweizer Architekten Mario Botta in Tel Aviv oder
der Dresdener Synagoge der deutschen Architekten Wandel Hoefer Lorch +
Hirsch integriert. Die übrigen Kultureinrichtungen zeigen sich dagegen so unterschiedlich
wie ihre Architekten. So ist Adolf Krischanitzs Lauder Chabad- Schule in
Wien ein erstklassiger Schulbau in der Tradition der "weißen Moderne".
Aber wo ist das charakteristisch Jüdische? Zeugnisse des Selbstbewusstseins Die Ausstellung zeigt vielmehr das
zurückgewonnene Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinden. Neben neuen
Gemeindezentren in Duisburg und Dresden ist das neue jüdische
Kulturzentrum in München, ein in mehrere Baugruppen aufgespaltenes
Ensemble, vertreten - das derzeit größte jüdische Bauvorhaben Europas
überhaupt. "Es ist ein ganz klares Statement", sagt die Kuratorin Sachs auf die
Frage, warum die in der Schau gezeigten Bauten alle hohe Qualität
aufweisen. "Nach dem Motto: Ihr überseht uns nicht mehr." Und es seien
nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Architekten, erklärt die
Kuratorin, die diese Aufgabe sehr ernst nähmen, sich intensiv mit
jüdischer Geschichte beschäftigten und erstklassige Entwürfe lieferten.
"Eine Zeit zum Bauen", Jüdisches Museum Wien, bis 4. September. So-Fr 10
bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Zur Ausstellung ist ein zweisprachiger Katalog
im Prestel Verlag erschienen (59 Euro). |