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Quer durch Galerien

Ketchup schockt die weiße Wäsche

Von Claudia Aigner

Das österreichische Webverzeichnis!Der kleine Unterschied: die hochgeklappte Klobrille? Ja, die auch. Und die Mädchen tragen rosa Strampelanzüge und die Buben blaue. Und wir leben auf dem blauen Planeten und nicht auf dem rosaroten. (Oder nicht mehr auf dem rosaroten? Ach, die pinke Welt, das Matriarchat der ominösen Großen Mutter, hat es wahrscheinlich nie gegeben. Und Barbie, die Gebieterin über das Rosarot, Herrscherin im heilen Haushalt ihrer rosaroten Villa, kann uns, die wir die Klobrille nicht hochklappen, weil wir zum sitzenden Geschlecht gehören, auch nur in der Kindheit trösten).
Und bei der stehenden Hälfte der Menschheit haben alle einen . . . äh . . . einen . . . Adamsapfel. Und werden angeblich von der Angst geplagt, sie könnten eines Morgens ohne Apfel aufwachen. Das nennt man "Apfelmusangst" beziehungsweise "Angst vor der Adamsapfelernte". (Oder nannte Sigi Freud, der Vater des P.-Neids, das anders?) Aber der allerdezenteste Unterschied zwischen Mann und Frau ist: o. b. Das tertiäre
Geschlechtsmerkmal. Damit kann die holde Weiblichkeit von der Pubertät bis zur Menopause sauber und diskret vom Manne abweichen. Daraus lässt sich natürlich nicht schlussfolgern, dass Hermann Nitsch, der gewohnheitsmäßig aus fremden Adern blutet und bei Schwein, Rind und Lamm theatralisch alle Schleusen öffnet, einen o. b.-Neid hätte, von dem Freud nicht einmal in seinen kühnsten Ödipus-Fantasien eine Vision hatte.
Schon allein das Betrachten von roten Farbtönen soll ja die Durchblutung fördern. Vor den digitalen Collagen von Magdalena Frey (bis 23. Oktober in der Galerie Hofstätter, Bräunerstraße 7) fühlt man sich tatsächlich sofort gut vom sauerstoffgesättigten Hämoglobinrot durchblutet und durchpulst. Nein, die markant weiblichen Arbeiten sind nicht ganz so wahllos rot wie der Menstruationsschocker und Schweineblutklassiker "Carrie, des Satans jüngste Tochter" (Prädikat: besonders blutig), ein Film ohne erlösende Blutgerinnung oder besänftigende Druckverbände, in dem die geradezu märtyrerhafte "Bluterin" zuerst in ihrem eigenen und dann, auf dem Schulball, im Blut der geschlachteten Schweine ertrinkt und im finalen Blutrausch die ganze Umgebung mitreißt in die roten Fluten (so in der Art jedenfalls). Nein, besagte Bildmontagen, durch die sich die fundamentale Farbe des Lebens leitmotivisch (oder leidmotivisch?) zieht, erröten etwas gezielter.

Galerie Hofstätter: Die Frau - die "rote Gefahr"

Ja, stimmt: Sehr zentral ist hier jene spezifisch weibliche Substanz, von der der galant laszive Johann von Besser, Pfarrerssohn und studierter Theologe (und offensichtlich ein Kenner der Mysterien des weiblichen Uterus), in unnachahmlich eindeutiger Zweideutigkeit dereinst geschwärmt hat: "Man geht / wie iedermann bekandt / Durchs rothe meer in das gelobte land." Eine Hymne an die "Schamesröte" also. Bei Magdalena Frey vertrauen sich die schon zwanghaft sich entblößenden Unterleiber an den gewissen Tagen nicht subtil ihrem Hygieneprodukt an, wie von Johnson & Johnson und dem Rest der nicht nur sauberen, sondern reinen Welt vorgeschrieben, sondern vergießen exhibitionistisch, in deutlich feministischer Absicht selbstbewusst ihr, ich will es "Emanzipationsblut" nennen. Die Frau - die "rote Gefahr".
Die Montagen aus Selbstfotografiertem und Vorgefundenem, unverfänglich Banalem und Abstoßendem, deren Thema meist die Rollenbilder, Seinsformen und die gesellschaftlich sanktionierten und die tabuisierten Körperfunktionen (Fruchtbarkeit, "Unwohlsein" usw.) der Frau sind, sind eklig bis zur Authentizität. Nein, umgekehrt: authentisch bis zum Ekel. Wenn die Weinviertlerin aus Graz ein blütenweißes Erstkommunionskleid mit einer erwachsenen Vagina "besudelt", die selbstvergessen ihre friedliche, ganz natürliche Bluttat begeht (wie jeden Monat), dann ist das von billiger Effekthascherei nicht weit entfernt. Immerhin die reißerischste und stärkste Kontrastmöglichkeit. Ein Komplementärkontrast, insofern als sich in der Waschmittelindustrie chlorgebleichte Wäsche und Ketchupflecken komplementär gegenüberstehen. Und in der Religion das Irdische und himmlisch Entrückte, die körperwarme Sündenfarbe und das Unschuldslammweiß, das nicht von dieser Welt ist.
Frey bewegt sich eben zwischen plakativ provokanter Drastik und sensibler Einfühlung, die jedoch selbst in der tragischen Serie "Frauensache" nicht peinlich rührselig wird, einem vergleichsweise behutsamen Frauenporträt, wo eine so genannte "totaloperierte" Frau ihre Bauchnarbe herzeigt, die unter anderen Umständen genauso gut von einem Kaiserschnitt stammen hätte können.
"Girls cut": Eine engagiert krasse Bildsprache für ein radikales Thema: Die Beschneidung, eigentlich das Verstümmeln und Zunähen kleiner Mädchen. (Eine Männerwelt lässt brutal Frauen ohne Unterleib herstellen, quasi Frauen mit "Keuschheitszertifikat".) Frey vergräbt da etwa, digital getrickst, eine Rasierklinge und das dazugehörende Blut ("Da hab' ich mir zum Beispiel in den Finger geschnitten") im Mädchenfleisch. Oder überblendet dasselbe Zartrosa transparent mit einem vielsagend geschlossenen Reißverschluss, während davor die unbeschwerte Kindheit (ein fröhliches Mäderl) seilspringt. Am Handwerk sollte sie freilich noch feilen. Da fotomontiert sie mitunter recht grobschlächtig.

Galerie Sur: Wie man Fische zu Landratten macht

Ein paar Touristen aus Kolumbien sind im Burgenland regelrecht versandet (sozusagen), nämlich mit Sand aus einem burgenländischen Steinbruch "paniert" worden. Hernando Osorio (bis 28. Oktober in der Galerie Sur, Seilerstätte 7) hat die Kolumbianer, Landsleute von ihm, nach eigenen Angaben selber in ihrer natürlichen Umgebung gefangen. Na gut, bloß einen davon. Die andern sind lediglich Gipsabgüsse vom ersten. Vom ersten Piranha. (Und es ist anzunehmen, dass Osorio nicht einfach selbstaufopfernd einen Finger ins Wasser gehalten und dann gewartet hat, bis einer anbeißt.)
Die Piranhas, diese berüchtigten Fressfeinde der arglosen Schwimmer (jedenfalls in schockierenden Fischfilmen), arrangiert der Wiener Südamerikaner nun mit unbestechlichem Ordnungswillen dekorativ harmonisch auf seinen Leinwänden, die wie weiße Sandstrände sind. Und da belauern sie, diese "Unterwasser-Nagetiere", mit einem gewissen Hang zur Ernstlosigkeit, ein Männchen, das aus Uhreninnereien und Schrauben gebastelt ist und das so tut, als wäre es Leonardo da Vincis Homo quadratus und Homo circularis. Auch Samenkörner drückt Osorio musikalisch in den Sand. Sinnlich reduzierte Meditationen übers Werden, Sein und Vergehen.

Engholm Engelhorn Galerie: Außerirdische Beglückung

Dirk Skreber (bis 23. Oktober bei Engholm und Engelhorn, Schleifmühlgasse 3) beherrscht die surreale Verstörung wirklich. Auf einer ansonsten tadellos normalen Insel mit pittoresk gepflegter Botanik: ein riesiger Gupf aus Farbschlamm. Eine Botschaft von einer interstellaren Intelligenz? Eine Kuhflade aus dem All, außerirdische Land-Art? Also ich empfinde diese technisch abwechslungsreich und obendrein gut gemalten Bilder, die den glatten Realismus immer wieder mit geometrischer Abstraktion und dem Ungewissen abschmecken, durchaus als Beglückung.

Erschienen am: 15.10.2004

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