text breit    text schmal   drucken 
derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14.06.2002
20:22 MEZ
Neonbuntes Sammel-Surium
268 der weltbesten Galerien: Bericht von der 33. Art Basel

von Doris Krumpl aus Basel

Link
artbasel.com

 
Nähern wir uns einmal vom Rand her: Nicht nur manche frisch vom Chirurgen gelieferte Damen mit lebenden Hündchen in ihren Designertaschen beleben das Erscheinungsbild der Art Basel. Auch unfreiwillig komische Szenen wie diese am Stand der Galerie Hauser & Wirth, wo ein gediegenes Ehepaar von einem zugeknöpften, seriös-strengen Galeriemitarbeiter über Details einer blauen McCarthy-Büste aufgeklärt wird: Bleibt nur zu sagen, dass die Polyester-Skulptur Dick Eye heißt und genau so aussieht. Bei Pipilotti Rists verschwommen-bunten Videostill-Diptychon How many steps entschärft sich die Situation (5.000 Dollar, 25er-Auflage).

Rist gilt als Kunstmarkt-Star, nicht nur in der Schweiz, und an denen fehlt es nicht bei dieser 33. Version der bis einschließlich Montag dauernden Art Basel. Eine Messe für moderne und zeitgenössische Kunst, die mit 268 internationaler Galerien (aus 900 Bewerbungen) durch die Bank ein Niveau vorlegt, die vergleichbare Veranstaltungen schwach aussehen lässt. Neben Rist und der mit Hochhaus-Bildskulpturen, Akt-Plastiken, Porträts und sogar Stillleben auf unzähligen Ständen präsente Julian Opie, ein Warhol für "Arme" sozusagen, gibt good old Andy im klassischeren Erdgeschoß den Ton vor, quasi an jedem zweiten Stand. Früheres, Selteneres kommt mehr an, so verkaufte Kukje/Seoul am Vernissageabend eine kleine blaue Jackie. Lokalmatador Beyeler trumpfte u.a. mit Gerhard Richter, dessen Werke vor fünf Jahren im Gegensatz zu heute noch einen Bettel kosteten.

Waren vor einiger Zeit kaum jüngste Arbeiten in Basel zu sehen gewesen, so tragen heuer auffällig viele Kunstwerke das Datum 2002. Was sieht man also Aktuelles? Vielleicht mit Halbwertszeit versehen, aber absolut zeitgemäß kommen die buntgefärbten Kunstharz-Großformate des Deutschen Peter Zimmermann daher. Die wie erstarrte spontan entstandene Lava-Lamp-Bilder aussehenden Psychedelik-Muster sind genau konstruiert und nach Fotos entstanden. 18.000 Euro kosten die Bilder bei Jannsen/ Köln, bei Grunert ebenso.

Psychedelik und Neonfarben fallen auf, sogar Fotostar Thomas Ruff bannt unscharfe Muster aufs Papier. Lori Hersberger bei Van Orsouw geht in diese Richtung wie auch Katharina Grosse, deren 2x3 Meter großes Bild (15.000 Euro) bei Müller/Zürich zu den Highlights der Messe zählt. Ein früher entstandenes, ruhigeres Bild führte auch die Wiener Galerie Nächst St.Stephan auf ihrem - wie bei allen teilnehmenden österreichischen Galerien - überzeugenden und mit der internationalen Konkurrenz bestens mitstreitenden Stand. Kargl hatte übrigens gleich am ersten Tag ein Riesenbild seines Erfolgsduos Muntean & Rosenblum für 25.000 Dollar in die Schweiz verkauft. Ihre neuen, fast altmeisterlichen Bleistift-Zeichnungen kommen auf 1.200 Dollar. Zeichnungen sind nach den großklotzigen Superlativen, wie etwa Silvie Fleurys gigantische Pendel-Skulpturen bei Ropac, eine seltene "Erholung". 20.000 Dollar kosten neuere Arbeiten von Louise Bourgeois bei Hufkens/Brüssel. Direkt vor Ort, in einem höher gelegenen Kabäuschen der Galerie König, entstehen die skuril-witzigen Tuschearbeiten von Constantin Luser, die für 300 bzw 400 Euro wohlfeil zu erstehen sind.

Wenn es an den Ständen schon keine tableauartige Fotografie gibt, dann gibt es fotorealistische Malerei, wie in den guten alten 70er-Jahren. Viel zur Malerei-Diskussion heute trägt übrigens die von Peter Pakesch mitkuratierte Schau Painting on the Move in drei bedeutenden Baseler Kunstinstitutionen bei.

Eine Klasse für sich ist der Stand von Jay Jopling/London. Sämtliche britischen Erfolgskünstler schart er um sich, von Hirst bis Gormley. Tracey Emin träumt in Neonleuchtschrift "I dream of sleep". Von Gavin Turk ist ein Nomad am Boden im dreckigen Schlafsack versteckt. Liegende sind - neben Tieren aller Art - häufig Thema bei Skulpturen auf der Art, ob als abstrakter Sad Man von Van Lieshout, oder als Clown bei Ugo Rondinone.

Die Nordländer Europas machen nicht nur im Fußball Furore: Nicolai Wallner aus Kopenhagen oder Claes Nordenhake, ab 2003 neu im Art Committee, stehen für Qualität. Letzterer, der seit eineinhalb Jahren eine Galerie in Berlin unterhält, begründet die skandinavische Galerienstärke mit dem "zunehmend kosmopolitischen Leben: Wir hatten auch früher sehr gute Künstler, nur heute ist es mehr möglich, dass sie international wahrgenommen werden".

Sehr schwach fielen heuer die geförderten One-man-Shows der Art, "Art Statements" aus. Dagegen wird man viele Installationen der "Art Unlimited", wo "neuartige und großformatige Kunstwerke aller Mediengattungen" in einer Extra-Halle stehen, zukünftig in vielen Ausstellungen und Museen sehen. Wer nicht kauft, sondern nur schaut, dem bleibt das Motto von Franz West, dem wohl am häufigsten vertretenen österreichischen Künstler: "Ich sammle mich".

(Album, DER STANDARD, Printausgabe, Sa./So.,15.6.2002)


©2002 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.