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Kunstberichte

"Ich kämpfe nur für Gerechtigkeit"

Agnes Husslein, ab Jänner Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, über ihre ehrgeizigen Pläne
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- Schlagfertig, auch ohne Keule: Agnes Husslein, künftige Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, treibt ein herkulischer Tatendrang.  Foto: Robert Newald

Schlagfertig, auch ohne Keule: Agnes Husslein, künftige Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, treibt ein herkulischer Tatendrang. Foto: Robert Newald

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung Husslein fordert 1,7 Millionen Euro mehr für Belvedere.
Aufzählung Restitutionsfrage: "Will Unklarheiten aktiv bereinigen".

"Wiener Zeitung": Zuletzt gab es einige Verwirrung: Direktor Gerbert Frodl behauptete, dem Haus ginge es finanziell nicht schlecht, Sie widersprachen.

Agnes Husslein: Das habe ich nicht alleine getan, sondern gemeinsam mit dem Kuratorium und dem kaufmännischen Direktor des Belvedere, von denen ich die Budgetzahlen entgegengenommen habe. Bisher habe ja nicht ich gewirtschaftet, sondern Direktor Frodl. Die Personen, die für das Jahr 2006 verantwortlich sind, haben mit mir gemeinsam die Zahlen richtig gestellt.

Frodl nannte ein Guthaben von rund drei Millionen Euro. Gibt es nun einen Gewinn oder nicht?

Es gibt einen Gewinnvortrag, und zwar in der Höhe von 1,3 Millionen Euro. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt ein Budget für 2007 bilden zu können. Aber das reicht eben nicht, deshalb brauche ich eine Zusage von mindestens 1,7 Millionen Euro mehr, um über das Jahr zu kommen.

Sind Sie zuversichtlich, dieses Geld zu bekommen?

Es geht gar nicht anders, weil die Österreichische Galerie Belvedere von allen Bundesmuseen das am schlechtesten dotierte Haus ist. Wenn Sie vergleichen: Allein die Gehälter kosten 5,2 Millionen Euro, die Basisabgeltung liegt aber nur bei 4,4 Millionen. Das geht einfach nicht. Ich habe jetzt sechs Häuser zu bespielen, bald einmal sieben. Es sind neue Investitionen zu machen, und zuletzt wurde alles auf ein Minimum heruntergeschraubt. Wie man ein Museum führen muss, hat sich in den letzten Jahren geändert. Daher müssen Maßnahmen gesetzt werden. Und die kosten Geld.

Könnte der Bund nicht sagen – unter Bezugnahme auf Frodls Worte: Wenn man keine Extra-Ausgaben tätigt, läuft 2007 alles.

Nein, weil ich nicht einmal dann den Museumsauftrag erfüllen kann. Ein Teil dieses Auftrages ist Sammeln, und das können wir seit Jahren nicht. Ein Museum muss eine aktive Rolle spielen. Es wird nie genügen, nur eine Sammlung aufzustellen. Dann kommen zwar die Touristen – und es kommen viele zu uns. Aber wir müssen Aktivitäten setzen. Nur Hinhängen und Warten – das war vor 20 Jahren möglich.

Zu den heutigen Attraktionen zählen vor allem Sonderausstellungen.

Das Untere Belvedere wird zum Forum dafür werden. Ich werde da neutralere Räume schaffen. Das ist ja eine der Schwierigkeiten hier, in dieser herrlichen barocken Schlossanlage, obwohl es wunderbar ist, sie zu bespielen. Ich habe eine klare Vorstellung von meinem Programm: Österreichische Kunst im internationalen Kontext. Diese Kunst, wissenschaftlich aufbereitet. Zum Beispiel die Ausstellung "Wien – Paris", heimische Kunst in Auseinandersetzung mit Frankreich. Natürlich werden da große Namen sein, Cézanne, Van Gogh, die tollsten Highlights aus dem Musée d’Orsay. Aber es geht nicht darum, nur auf große Namen zu setzen. Ich werde bewusst den eigenen Bestand aufarbeiten.

Also ein Kompetenzzentrum österreichischer Kunst, wie Sie bei Ihrer Bestellung erklärten?

Das ist natürlich das ganz große Ziel.

Sehen Sie eine klare Abgrenzung zu den anderen Bundesmuseen? Mangelnde Profilschärfe wurde immer wieder thematisiert.

Niemand verfügt – in dieser Tiefe und Bedeutung – über eine Sammlung österreichischer Kunst. Sie muss allerdings ergänzt und erweitert werden. Da besteht ein Manko im Bereich der 1970er-, 80er-Jahre, weil damals alles für das 20er-Haus, das ja früher das Museum Moderner Kunst war, angekauft wurde.

Wie sehen Ihre Pläne für das – nach wie vor nicht sanierte – 20er-Haus aus?

Das ist mir als Haus für Zeitgenössische Kunst wahnsinnig wichtig. Wir haben jetzt einen konkreten Planungsauftrag, und das wird uns in die Lage versetzen, konkrete Zahlen zu bekommen, was die Sanierung tatsächlich kostet. Ich bin in Verhandlungen mit Sponsoren, es wird eine Private-Public-Partnership. Der Wotruba-Nachlass kommt dort hinein. Ich hoffe sehr, dass das Haus 2008 bespielbar sein wird.

Aus dem Belvedere musste nicht nur die "Goldene Adele" restituiert werden. Fürchten Sie, dass noch mehr wegfallen könnte?

Ich fürchte nichts, sondern will Transparenz. Und dass die Provenienzforschung vorangetrieben wird. Ich werde mich persönlich damit beschäftigen, will Unklarheiten und Ungerechtigkeiten bereinigen.

In Ihrer Zeit als Leiterin des Salzburger Museums der Moderne gab es ein Skandälchen um die Skulptur eines nackten Mannes, die in der Altstadt stand: den "Arc de Triomphe". Wie wichtig ist es, ab und zu einen Knalleffekt zu setzen?

Alle glauben, ich hätte damals absichtlich die Künstlergruppe Gelatin ausgesucht, um zu provozieren. Stimmt nicht. Das Ganze wurde erst durch die Politik skandalisiert. Als wir aufbauten, sahen die Menschen zu, fanden die Skulptur interessant und lustig. Ich werde im Belvedere das ausstellen, was ich für richtig erachte. Knalleffekte sind nicht mein Ziel.

Sie gelten als bunte Figur, die nicht im stillen Direktorenkämmerchen sitzt.

Das werde ich auch nicht, sondern aktiv sein. Ich bin sehr spontan, fürchte mich nicht – wenn ich von etwas überzeugt bin, mach’ ich es. Ich bin vielleicht auch als Person interessant, weil ich eine Frau bin, relativ unabhängig. Aber in erster Linie will ich durch das, was ich mache, wahrgenommen werden und an meiner Leistung gemessen werden.

Die Höhepunkte Ihres ersten Belvedere-Jahres?

Es wird viele geben – und spannend werden, die ganzen Umstrukturierungen zu sehen: Mit der Orangerie, der Neuaufstellung im Oberen Belvedere samt Mittelalter, der Adaptierung des Prunkstalls als Schaulager. Es wird ständig etwas Neues geben, das Untere Belvedere wird wieder eröffnet, mit Restaurant. Die Kunstinteressierten werden sicher viel Spannendes zu sehen haben.

Die größte Akzentverlagerung zur Ära Frodl?

Die Art, wie ich mit Sammlung und Sonderausstellungen umgehe. So werde ich die Sammlung im Oberen Belvedere fokussieren und das Untere Belvedere, das in einem Dornröschenschlaf gelegen ist, auch von der Ausstattung her in einem depleurablen Zustand war, zu einem lebendigen Forum machen. Die Menschen finden dort heute nicht einmal den Eingang. Viele werden künftig aktiv das Belvedere von unten nach oben erschließen.

Könnte der Staat nicht sagen: Muss das alles sein?

Glaube ich nicht. Wenn der Staat diese Sammlung besitzt, hat er Verantwortung. Und die derzeitige Form ist nicht zeitgemäß.

Wenn aber ein Bundesmuseum nach Geld schreit, kann das eine Dynamik in Gang setzen, die bis zu den Bundestheatern reicht.

Ich will nur Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass ich nur 4,4 Millionen Euro bekomme. Damit kann man ein Museum dieser Größe nicht führen. Ich glaube nicht, dass der Staat das Untere Belvedere zu sperren will. Über was wird Österreich wahrgenommen? Seine Kunst und Kultur. Diese Sammlung, diese Klaviatur muss man zum Erklingen bringen. Und dafür kämpfe ich.

Zur Person

Wo sie herrscht, herrscht eines nie: Stille. Agnes Husslein, 1954 geboren, beschäftigt Feuilleton und Society-Rubriken. Ob beim Auktionshaus Sotheby’s, wo sie 1981 bis 2000 als Geschäftsführerin für Österreich fungierte und exzellente internationale Kontakte aufbaute – oder später als Leiterin des Salzburger Rupertinums und des Museums der Moderne am Mönchsberg, für das sie ein arriviertes Programm entwarf, durch einen öffentlich ausgestellten Männerakt und ihre angeblich harsche Personalpolitik aber in die Kritik geriet.

Dass Husslein im März für die Leitung der Österreichischen Galerie Belvedere nominiert wurde, brachte ebenfalls nicht nur Zustimmung: Die Opposition erinnerte an Hussleins Nähe zur ÖVP, für die sie 1994 kandidiert hatte.

Zuletzt meldete sich die zweifache Mutter mit Widerspruch zu Wort. Nachdem Belvedere-Vorgänger Gerbert Frodl behauptet hatte, das Haus verfüge – trotz karger Subvention – über finanzielle Rücklagen, revidierte Husslein die Zahlen nach unten. Ebenso wie Frodl fordert sie eine Aufstockung der Fördermittel.

Dienstag, 26. Dezember 2006


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