Agnes Husslein: Das habe ich nicht
alleine getan, sondern gemeinsam mit dem Kuratorium und dem
kaufmännischen Direktor des Belvedere, von denen ich die Budgetzahlen
entgegengenommen habe. Bisher habe ja nicht ich gewirtschaftet, sondern
Direktor Frodl. Die Personen, die für das Jahr 2006 verantwortlich
sind, haben mit mir gemeinsam die Zahlen richtig gestellt.
Frodl nannte ein Guthaben von rund drei Millionen Euro. Gibt es nun einen Gewinn oder nicht?
Es gibt einen Gewinnvortrag, und zwar in der Höhe von 1,3 Millionen
Euro. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt ein Budget für 2007
bilden zu können. Aber das reicht eben nicht, deshalb brauche ich eine
Zusage von mindestens 1,7 Millionen Euro mehr, um über das Jahr zu
kommen.
Sind Sie zuversichtlich, dieses Geld zu bekommen?
Es geht gar nicht anders, weil die Österreichische Galerie Belvedere
von allen Bundesmuseen das am schlechtesten dotierte Haus ist. Wenn Sie
vergleichen: Allein die Gehälter kosten 5,2 Millionen Euro, die
Basisabgeltung liegt aber nur bei 4,4 Millionen. Das geht einfach
nicht. Ich habe jetzt sechs Häuser zu bespielen, bald einmal sieben. Es
sind neue Investitionen zu machen, und zuletzt wurde alles auf ein
Minimum heruntergeschraubt. Wie man ein Museum führen muss, hat sich in
den letzten Jahren geändert. Daher müssen Maßnahmen gesetzt werden. Und
die kosten Geld.
Könnte der Bund nicht sagen – unter Bezugnahme auf Frodls Worte: Wenn man keine Extra-Ausgaben tätigt, läuft 2007 alles.
Nein, weil ich nicht einmal dann den Museumsauftrag erfüllen kann.
Ein Teil dieses Auftrages ist Sammeln, und das können wir seit Jahren
nicht. Ein Museum muss eine aktive Rolle spielen. Es wird nie genügen,
nur eine Sammlung aufzustellen. Dann kommen zwar die Touristen – und es
kommen viele zu uns. Aber wir müssen Aktivitäten setzen. Nur Hinhängen
und Warten – das war vor 20 Jahren möglich.
Zu den heutigen Attraktionen zählen vor allem Sonderausstellungen.
Das Untere Belvedere wird zum Forum dafür werden. Ich werde da
neutralere Räume schaffen. Das ist ja eine der Schwierigkeiten hier, in
dieser herrlichen barocken Schlossanlage, obwohl es wunderbar ist, sie
zu bespielen. Ich habe eine klare Vorstellung von meinem Programm:
Österreichische Kunst im internationalen Kontext. Diese Kunst,
wissenschaftlich aufbereitet. Zum Beispiel die Ausstellung "Wien –
Paris", heimische Kunst in Auseinandersetzung mit Frankreich. Natürlich
werden da große Namen sein, Cézanne, Van Gogh, die tollsten Highlights
aus dem Musée d’Orsay. Aber es geht nicht darum, nur auf große Namen zu
setzen. Ich werde bewusst den eigenen Bestand aufarbeiten.
Also ein Kompetenzzentrum österreichischer Kunst, wie Sie bei Ihrer Bestellung erklärten?
Das ist natürlich das ganz große Ziel.
Sehen Sie eine klare Abgrenzung zu den anderen Bundesmuseen? Mangelnde Profilschärfe wurde immer wieder thematisiert.
Niemand verfügt – in dieser Tiefe und Bedeutung – über eine Sammlung
österreichischer Kunst. Sie muss allerdings ergänzt und erweitert
werden. Da besteht ein Manko im Bereich der 1970er-, 80er-Jahre, weil
damals alles für das 20er-Haus, das ja früher das Museum Moderner Kunst
war, angekauft wurde.
Wie sehen Ihre Pläne für das – nach wie vor nicht sanierte – 20er-Haus aus?
Das ist mir als Haus für Zeitgenössische Kunst wahnsinnig wichtig.
Wir haben jetzt einen konkreten Planungsauftrag, und das wird uns in
die Lage versetzen, konkrete Zahlen zu bekommen, was die Sanierung
tatsächlich kostet. Ich bin in Verhandlungen mit Sponsoren, es wird
eine Private-Public-Partnership. Der Wotruba-Nachlass kommt dort
hinein. Ich hoffe sehr, dass das Haus 2008 bespielbar sein wird.
Aus dem Belvedere musste nicht nur die "Goldene Adele" restituiert werden. Fürchten Sie, dass noch mehr wegfallen könnte?
Ich fürchte nichts, sondern will Transparenz. Und dass die
Provenienzforschung vorangetrieben wird. Ich werde mich persönlich
damit beschäftigen, will Unklarheiten und Ungerechtigkeiten bereinigen.
In Ihrer Zeit als Leiterin des Salzburger Museums der Moderne gab
es ein Skandälchen um die Skulptur eines nackten Mannes, die in der
Altstadt stand: den "Arc de Triomphe". Wie wichtig ist es, ab und zu
einen Knalleffekt zu setzen?
Alle glauben, ich hätte damals absichtlich die Künstlergruppe
Gelatin ausgesucht, um zu provozieren. Stimmt nicht. Das Ganze wurde
erst durch die Politik skandalisiert. Als wir aufbauten, sahen die
Menschen zu, fanden die Skulptur interessant und lustig. Ich werde im
Belvedere das ausstellen, was ich für richtig erachte. Knalleffekte
sind nicht mein Ziel.
Sie gelten als bunte Figur, die nicht im stillen Direktorenkämmerchen sitzt.
Das werde ich auch nicht, sondern aktiv sein. Ich bin sehr spontan,
fürchte mich nicht – wenn ich von etwas überzeugt bin, mach’ ich es.
Ich bin vielleicht auch als Person interessant, weil ich eine Frau bin,
relativ unabhängig. Aber in erster Linie will ich durch das, was ich
mache, wahrgenommen werden und an meiner Leistung gemessen werden.
Die Höhepunkte Ihres ersten Belvedere-Jahres?
Es wird viele geben – und spannend werden, die ganzen
Umstrukturierungen zu sehen: Mit der Orangerie, der Neuaufstellung im
Oberen Belvedere samt Mittelalter, der Adaptierung des Prunkstalls als
Schaulager. Es wird ständig etwas Neues geben, das Untere Belvedere
wird wieder eröffnet, mit Restaurant. Die Kunstinteressierten werden
sicher viel Spannendes zu sehen haben.
Die größte Akzentverlagerung zur Ära Frodl?
Die Art, wie ich mit Sammlung und Sonderausstellungen umgehe. So
werde ich die Sammlung im Oberen Belvedere fokussieren und das Untere
Belvedere, das in einem Dornröschenschlaf gelegen ist, auch von der
Ausstattung her in einem depleurablen Zustand war, zu einem lebendigen
Forum machen. Die Menschen finden dort heute nicht einmal den Eingang.
Viele werden künftig aktiv das Belvedere von unten nach oben
erschließen.
Könnte der Staat nicht sagen: Muss das alles sein?
Glaube ich nicht. Wenn der Staat diese Sammlung besitzt, hat er Verantwortung. Und die derzeitige Form ist nicht zeitgemäß.
Wenn aber ein Bundesmuseum nach Geld schreit, kann das eine Dynamik in Gang setzen, die bis zu den Bundestheatern reicht.
Ich will nur Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass ich nur 4,4
Millionen Euro bekomme. Damit kann man ein Museum dieser Größe nicht
führen. Ich glaube nicht, dass der Staat das Untere Belvedere zu
sperren will. Über was wird Österreich wahrgenommen? Seine Kunst und
Kultur. Diese Sammlung, diese Klaviatur muss man zum Erklingen bringen.
Und dafür kämpfe ich.
Zur Person
Wo sie herrscht, herrscht eines nie: Stille. Agnes Husslein, 1954
geboren, beschäftigt Feuilleton und Society-Rubriken. Ob beim
Auktionshaus Sotheby’s, wo sie 1981 bis 2000 als Geschäftsführerin für
Österreich fungierte und exzellente internationale Kontakte aufbaute –
oder später als Leiterin des Salzburger Rupertinums und des Museums der
Moderne am Mönchsberg, für das sie ein arriviertes Programm entwarf,
durch einen öffentlich ausgestellten Männerakt und ihre angeblich
harsche Personalpolitik aber in die Kritik geriet.
Dass Husslein im März für die Leitung der Österreichischen Galerie
Belvedere nominiert wurde, brachte ebenfalls nicht nur Zustimmung: Die
Opposition erinnerte an Hussleins Nähe zur ÖVP, für die sie 1994
kandidiert hatte.
Zuletzt meldete sich die zweifache Mutter mit Widerspruch zu Wort.
Nachdem Belvedere-Vorgänger Gerbert Frodl behauptet hatte, das Haus
verfüge – trotz karger Subvention – über finanzielle Rücklagen,
revidierte Husslein die Zahlen nach unten. Ebenso wie Frodl fordert sie
eine Aufstockung der Fördermittel.
Dienstag, 26. Dezember 2006