Jahrelang hatte sich der Regisseur, oft am Rand zum Existenzminimum, auf sein ambitioniertes Projekt der Darstellung eines kollabierenden biologischen Gleichgewichts vorbereitet. Monatelang hatte er ab 2000, gemeinsam mit dem Kameramann Alexander Rieder, am Victoriasee in Ostafrika studiert und dokumentiert, was geschah, als eine neue Fischart innerhalb von drei Jahrzehnten alle anderen Fische ausrottete – und gleichzeitig zum fragwürdig erfolgreichen Lebensmittelexportartikel wurde.
Zum damaligen Zeitpunkt mit einem großen Kinoerfolg zu spekulieren, schien müßig. Dass Darwin's Nightmare international und in den heimischen Kinos alle Austro- Spielfilme in den Schatten stellen sollte, war nicht absehbar. Hubert Sauper, 1966 als Sohn einer Kärntner Hoteliersfamilie in Kitzbühel geboren, blieb dennoch beharrlich (manche würden sagen: stur) und blieb bei seinem Projekt. Schon 1997 hatte er mit Kisangani Diary ähnlich besessen das Schicksal von Flüchtlingen aus Ruanda dokumentiert. Essenziellen Krisen begegnet er als Filmemacher mit existenzieller Hingabe.
Als er 2004 zuerst mit einem Spezialpreis in Venedig und dann mit dem Wiener Filmpreis der Viennale prämiert wurde, eröffnete sich ihm ein relativ neues "Universum": In den letzten Monaten reiste Sauper von Festival zu Festival, von Präsentation zu Präsentation seines Films, den er unter dem Schlagwort "Globalisierungskritik" etwas zu simpel interpretiert sieht.
"Ich weiß nicht, wie viele Konsumentenorganisationen auf Darwin's Nightmare hin dazu aufgerufen haben, Fisch zu boykottieren. Das ist doch ein völliger Schmarren", sagte er einmal in einem Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger. "Da könnte man ja alles boykottieren, was es im Supermarkt zu kaufen gibt! Für mich ist es ein fast beleidigendes Missverständnis, wenn man meinen Film darauf reduziert. Zu sagen, was man darf und was nicht, was gut oder böse ist, wäre so ungefähr das Gegenteil von dem, was ich will. Natürlich ist es gut, wenn man zu Weihnachten nicht chilenische Weintrauben auf den Tisch stellt, solange es heimische Äpfel gibt. Aber es ist nicht mein Beruf, das rüberzubringen. Ich hab ja nicht Aufklärung studiert, sondern Filmregie."
Und Film, das ist für Hubert Sauper eine "innere Reise, auf der man mehr findet, als man sucht". Gut möglich, dass ihm bei der Oscar-Gala diesbezüglich einiges an neuen Fundstücken angeboten wird. (DER STANDARD, Printausgabe vom 1.2.2006)