Salzburger Nachrichten am 13. Juli 2005 - Bereich: kultur
Kunst und Kirche sind einander fremd SN-Gespräch mit Johannes
Rauchenberger, dem Leiter des Minoriten Kulturzentrums in Graz
Martin BehrGraz (SN). "Dass sich Kunst und Kirche gut vertragen, stimmt
nicht. Sie sind einander fremd geworden, haben sich nichts mehr zu sagen."
Mit Thesen wie diesen lässt der Grazer Kunsthistoriker und Theologe
Johannes Rauchenberger aufhorchen. Der Leiter des Grazer Minoriten
Kulturzentrums und der Zeitschrift "Kunst und Kirche" bezeichnet im
SN-Gespräch die Bildsprache des Christentums als "ausgelaugt". "Wenn
Künstler sich auf diese Sprache einlassen, tun sie dies autonom, frei,
spielerisch, ironisch - als ob sie eine alte, verstaubte Puppe
aufhöben." Rauchenberger ortet zwar in der aktuellen Kunst vermehrte
Auseinandersetzungen mit Religion. Als Beispiel nennt er den Briten Mark
Wallinger oder Mauricio Cattelan. Dies sei aber nicht eine Belebung von
religiöser Kunst im alten Stil: "Dazu ist die Geschichte vermutlich zu
mächtig und zu groß." Die Kirche habe keinen Grund, sich über diese
Entwicklung zu freuen. Derzeit gebe es weder ein Aufbegehren, ein
Dagegenschreiben, noch ein kreatives Weiterschreiben christlicher
Bildtraditionen. Zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche existiere ebenso ein Graben
wie zwischen Kunst und Gesellschaft, betont Rauchenberger. Beiden mangle
es an der Faszination, in der Kunst eine authentische Erfassung,
Handhabung und Gestaltung unserer Welt zu sehen. Kunst werde meist mit
lächerlichen Erfolgskriterien gemessen: "Die Jahrespressekonferenzen der
großen Häuser werden mit Eintrittszahlen bestückt, die in der
Berichterstattung der Befriedigung von Politikern dienen." Kunst verkomme
also zum gesellschaftlichen Event. Religion in der Kunst werde nicht mehr in Kirchen gesucht, vielmehr in
Museen und vor allem in Ausstellungen, sagt Johannes Rauchenberger. Von
Museen erwarten die Menschen, dass sie Offenbarungen, Reflexionen,
Inspirationen und Einsichten jenseits ihres täglichen Erfahrungsraumes
erhalten. "Kirchenkunst" wiederum habe im 20. Jahrhundert einen fast
rufschädigenden Beigeschmack erhalten: "Kraftlose, ärmliche, schwächliche,
formal - meist mit pathetischem Expressionismus überhöhte - überholte
Bilder, die zum Zwecke der Dekoration angebracht wurden." Rauchenbergers
Fazit: Oft wäre es besser, die Räume der Kirche im Status der Leere zu
belassen. Bei jenen, die um einen ernsthaften Dialog von Kunst und Kirche bemüht
waren und sind, handelt es sich um Einzelinitiativen. Otto Mauer etwa, der
im konservativen Nachkriegs-Wien die Kirche als Asylort für
zeitgenössische Kunst auserkoren hat. Oder Josef Fink, der das
Kulturzentrum bei den Minoriten "unaufgeregt" als Ort der Spiritualität
geführt hatte. Oder der Theologe Günter Rombold, der sich mit dem Gestus
des Fragens der Kunst unpathetisch annähert. Weitere Impulse setzten der
Theologe Gerhard Larcher in Tirol, der Priester Hermann Glettler in Graz
oder Gustav Schörghofer in Wien. Zum neuen Salzburger Kardinal-König-Kunstpreis hat Rauchenberger ein
gespaltenes Verhältnis. Man habe leider die Chance, einen europäischen
Kunstpreis zu schaffen, vergeben. So sei der Preis eine Kopie des
Otto-Mauer-Preises. Kreative Kraft des Christentums Johannes Rauchenberger erinnert an die
kreative Kraft des Christentums, die einst sinnliche Madonnen, grauenhafte
Märtyrer, entstellte Körper und atemberaubende Räume hervorgebracht hat.
Dieses "enorme Erbe" provoziere die Frage, ob Religion auf ernst zu
nehmender Ebene nur im Status der Musealität bestehen könne. Das aktuelle Christentum sei möglicherweise für die Faszination für
Kunst gar nicht geeignet: "Ich glaube nicht, dass Mutter Teresa Museen
oder Konzerthäuser lieben konnte." |