Das KunstHausWien zeigt bis 9. Mai ausgewählte Fotoarbeiten von
Andreas H. Bitesnich
Ist Schönheit eine Zumutung?
Von Claudia Aigner
Natürlich ist Schönheit eine Zumutung (jedenfalls für die
andern). Aber besonders dann ist sie unzumutbar (für die andern), wenn
dort hartnäckig gutaussehende Burschen einbetoniert sind in ihre
Körperkraft und ihre Sehnen gespannt sind wie Violinsaiten und, schlimmer
noch (außer für die Hüter eines Testosteronhaushalts, kurz für Männer):
wenn sich bei der unverfroren makellosen Damenwelt die wimmerllose Haut
über die perfekten Proportionen spannt - in paradiesischer Nacktheit. (Die
Bibel weiß zumindest nichts davon, dass Eva vor der Vertreibung aus dem
Garten Eden von den Bosheitsakten ihres Fettgewebes, also von Zellulitis
heimgesucht worden wäre.) Andreas H. Bitesnich ("Zum größten Teil ist
es eine Sache, die ich nicht kontrollieren kann und gegen die ich mich
nicht wehren kann") mutet uns, die wir bis zum Jüngsten Tag von
Mehlspeisen statt von Hanteln gemein verfolgt werden und die wir
fortwährend von Kalorienbomben in den Mund getroffen werden, uns
Sterblichen also mutet der Perfektionist mit seinen fotografischen
Visionen aber noch viel mehr zu. Nämlich die ultimative
Körperbeherrschung. Ein Beispiel (eventuell zum Nachmachen): Der
muskelverwöhnte Mann stelle sich auf seine Zehenspitzen, beuge die Knie,
sodass Oberschenkel und Waden einen rechten Winkel bilden, das wäre dann
der Moment, wo die von ihrer Fitness durchmodellierte Frau kniend seinen
Schoß erklimmt. Und dann stecken beide die Köpfe zusammen, Hirn an Hirn
(womöglich, um sich telepatisch amourös auszuleben, sich quasi
leidenschaftliche Gedankenfaxe zu schicken). Und beide widerstehen
standhaft und wundersam, mit geradezu überirdischem Gleichgewichtssinn der
Erdanziehungskraft, also dem unwiderstehlichen Drang zum Boden. Ist
das etwa eine Tantra-Übung, Schwierigkeitsgrad "Nirwana" (oder so
ähnlich)? Die Tantra-Variante vom Hoppa-Hoppa-Reiter? Eine erotisch
enthaltsame Sexualturnübung (Enthaltsamkeit durch Statik, sprich durch
statuarische Leidenschaft)? Nein, nicht direkt. Doch die ausgefeilten,
kühl lustvollen Konstellationen mit balancebegnadeten Menschen in
Schwarzweiß, die frappierende Ähnlichkeit mit Kamasutra-Erprobten haben,
sind mindestens akrobatische Dressurakte. Und man sucht wie bei der
schwebenden Jungfrau nach den Halteseilen oder "Baugerüsten", die
verhüten, dass alles unkontrolliert kollabiert. Es soll freilich alles
authentisch sein. Die prägnant sinnliche Ästhetik des Andreas H.
Bitesnich, eines Autodidakten, der beim Bundesheer Passbilder für die
Ausweise schoss und eine Zeitlang ein Doppelleben als "handfest
bürgerlicher" Elektrogeräteverkäufer am Tag führte und in der Nacht ein
"Mr. Hyde" war (in seinem Badezimmer, seinem Fotolabor), löst noch bis 9.
Mai im KunstHausWien das große Staunen aus. Ansonsten dann und wann im
"Playboy", "Stern", in "Harper's Bazaar" und in Bitesnichs Fotobüchern.
Oder in der Werbung - Bitesnich: "Ähm, es ist schon so, dass ich mich mit
Geld dazu zwingen lasse." Auch bei der Fotokampagne der Aids Hilfe Wien
hatte er übrigens den Finger am Auslöser. Bei ihm, der erblich
vorbelastet ist und auf den sich das Aktfotografieren sozusagen via
Erbsünde übertragen hat (im Nachlass der Großmutter sind alte, eindeutige
Fotoglasplatten des Großvaters aufgetaucht), haben alle seine Modelle
jeden Körperteil im Griff. Etwa Roy, der Mann mit einer Haut wie schwarzer
Latex. Bitesnich: "Ein nackter Mann ist ein nackter Mann - und der hat
eben einen Penis." Nein, eigentlich hab' ich das herausragend umwerfende,
provokante Porträt seiner kraftstrotzenden Brustwarze gemeint, steif wie
ein Garderobenhaken (man könnte da also locker eine Jacke dran aufhängen).
In absoluter Höchstform ist Bitesnich, wenn er aus dem anatomischen
Angebot manierierte Körperornamente formt, geradezu Arabesken der
skulptural stillhaltenden Fleischeslust. Yvonne und Tom sind
beispielsweise ein fast abstraktes symmetrisches Knäuel aus Armen, Beinen
und zwei Köpfen. Das hat mehr als nur seinen Reiz. Das sind fleischliche
Offenbarungen. (Ich gebe zu, dass ich gegen emotionslose, perfekte
Schönheit nicht immun bin.) Wenn Farbe ins Spiel kommt, dann ist vielfach
alles weicher (aber auch schwächer). Und da und dort flackert sogar so
etwas wie Karikatur, oder sagen wir lieber: Humor auf. Ich denke
zumindest, dass das - wohlwollende - Lachen des Betrachters gewollt ist,
wenn eine große Portion Muskeln melodramatisch vor einem Vorhang posiert
und den roten Stoff resolut muskulös packt. Geblendet von den Akten,
die keine Aufmerksamkeit neben sich dulden, hat meine Netzhaut die andern
Fotos kaum noch bemerkt. Wie gut die Reisebilder auch gewesen sein mögen
(etwa das zerklüftete Gesicht aus Thailand und die faltigen Hände mit den
vom Leben dreckigen Fingernägeln, oder die mächtigen kambodschanischen
Baumwurzeln, die wie ein Riesenkrake von Ruinen Besitz ergreifen), sie
hatten kaum eine Chance. Nicht einmal die Porträtfotos von Anthony Quinn
und Leni Riefenstahl. Als Letztere, die ja auch vom Fach war, 2002 besorgt
war um Bitesnichs Fotokünste und, daraus resultierend, um ihre eigene
Fotogenität und Bitesnich sie beschwichtigt hat ("Keine Angst, ich hab'
eine 180er-Optik da"), soll sie aufgeweckt kritisch entgegnet haben: "Mit
180 müssen Sie aber noch einen halben Meter zurückgehen." Und später: "Da
waren Sie jetzt aber schief."
Erschienen am: 15.03.2004 |
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