Ausstellung in mehreren Akten | |
Im Interview spricht Elisabeth Schweeger über die Linzer Ausstellung, die Volksbefragung in Oberösterreich zum neuen Musiktheater und das politische Klima in Deutschland und Österreich.
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Grundlage der neuen Ausstellung "Der
körpererfüllte Raum fort und fort" im Linzer O. K. Centrum für
Gegenwartskunst ist ein autobiographischer Text aus dem Nachlass von
Adalbert Stifter. Danach begreift das Individuum sein eigenes Selbst durch
den umgebenden Raum, das es umgibt. Die Kuratorin Elisabeth Schweeger, die Chefdramaturgin des Bayerischen
Schauspielhauses und künstlerische Leiterin des Münchner Marstall Theaters, stellt dabei Fragen nach der
Positionierung von Theater und Bildender Kunst in einer Gesellschaft der
Selbstinszenierung.
Auch die Konzeption der Ausstellung entspricht der prozesshaften
Veränderung der Gesellschaft, ist sie doch als Work in Progress in
mehreren Akten inszeniert. Während des ersten Aktes vom 2.12 bis zum
21.1.2001 werden Installationen u.a. von Stefanie Wilhelm, Wanda Golonka,
Granular Synthesis, Ursula Hübner und M+M gezeigt. Im Theaterlabor bis zum
März 2001 sind Klaus Obermair, John Bock, Georg Ritter/Robert Poole und
Elisabeth Brockmann vertreten. Für den 3. Akt, die Finissage, gibt es dann
jede Menge Theorie. Andreas Wolf sprach mit Elisabeth Schweeger und Martin Sturm, Leiter
des O. K. Centrums. ON Kultur: Wie haben sich die Künstler dem Thema "Der
körpererfüllte Raum" angenähert? Elisabeth Schweeger: Grundsätzlich geht es um die Verwischung
zwischen bildender und darstellender Kunst. Ein weiterer Ausgangspunkt ist
ein Text von Adalbert Stifter. Der Text ist quasi eine psychoanalytische
Erinnerungssituation des Babys im Mutterleib. Man kann den Text aber auch
als Versuch betrachten, das eigene Ich zu definieren, und zwar weniger
über äußere Räume als über das Festschreiben von Koordinaten.
Es gibt ein Oben und ein Unten, ein Innen und ein Außen, ein Hell und
ein Dunkel. Über solche Gegensatzpaare versucht Stifter herauszufinden,
was das eigene Ich ist. Er kann sich als Person aber nur von außen
erkennen, also nur über eine andere Person. Genau darin besteht aber ein
Hauptproblem unserer Zeit. Wir finden keine Identitäten mehr, in einer
Welt, in der das Fremde und Fremdartige da sind, das aber keiner will,
obwohl wir es brauchen. Wir haben versucht, diese Divergenzen zu finden. Die Künstler haben
dieses Thema durch Licht, durch Sound oder mit Atmen abstrahiert und
versuchen so, eine eigene Selbstbestimmtheit zu finden. ON Kultur: Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit am Bayerischen
Schauspielhaus und im Münchner Marstall Theater sind grenzüberschreitende
Projekte zwischen Bildender Kunst, Theater, Film und Architektur. Haben
sie dort Anleihen für die Ausstellung genommen? Elisabeth Schweeger: Klar, wenn man einen 25-jährigen
künstlerischen Weg hinter sich hat, ist das so. Das hat auch mit
Positionen und Prozessen zu tun. Was kann die Kunst heute noch? Welchen
Stellenwert hat sie? Ist sie noch so solitär in ihrem Anspruch oder greift
sie schon in alltägliche Prozesse hinein? Ist sie noch etwas besonderes
oder nur noch ein Teil von etwas? Die Zusammenarbeit bei dieser Ausstellung war ein Prozess, weil sich
durch die Materialität und durch den Raum immer wieder etwas anderes
ergeben hat. Die Ausstellung selbst ist auch prozesshaft. Einige Objekte
sind zwar fertig, aber die Objekte atmen, sie rauschen, sie bewegen sich.
Dann gibt's hier Dinge, die werden erst während der Ausstellung
erarbeitet. Es ist die Mischung einer performativen Installation. On Kultur: Nach welchen Kriterien wurden die Künstler
ausgewählt? Martin Sturm: Es war uns wichtig, Achsen zwischen der regionalen
und der internationalen Szene zu bilden. Auch das ist sehr prozesshaft
entstanden. Für uns war es zum Beispiel wichtig, mit dem Landestheater
zusammenzuarbeiten und damit alle Kräfte für dieses Projekt zu bündeln. So
hat sich eine interessante Mischung aus Künstlern, die hier arbeiten und
solchen die noch nie in Oberösterreich waren ergeben. ON Kultur: Die oberösterreichische Bevölkerung hat sich gegen
ein neues Musiktheater entschieden. Ist das eine Absage an die Kunst in
diesem Land? Elisabeth Schweeger: Ich finde es erschreckend, wenn Menschen
nicht begreifen, dass die Kultur die Basis ist. Wenn ich aus einem schönen
Glas einen guten Wein trinke, dann ist das Kultur, und die kommt nun
einmal nicht vom Himmel herab. Sie kommt durch unsere kreativen Kräfte,
durch unsere Ideen und Visionen und vor allem, weil es immer wieder
Menschen gegeben hat, die bereit waren, für solche Dinge Geld
auszugeben. Diese Form von Stupidität ist eine dumme politische Mache, die leider
nichts mit Parteipolitik zu tun hat, sondern ganz allgemein mit der
Entwicklung, des rasant um sich greifenden Liberalismus nach Thatcher.
Eine Entwicklung bei der das Geld noch mehr im Zentrum steht, die alle
geistigen Vermögenswerte des Menschen und damit die gesamte Ethik zunichte
macht. Wenn die Menschen das nicht begreifen, dann schaden sie sich
selbst. ON Kultur: Spielt da auch das politische Umfeld eine Rolle? Elisabeth Schweeger: Kann sein, dass die politische Situation
eine Entgeistigung oder Entkultivierung begünstigt, aber es handelt sich
um einen allgemeinen Trend, der weltweit spürbar ist. In Deutschland gibt
es das schon länger. Der Staat versucht sich dem Verantwortungsbereich
Kultur generell zu entziehen und schwächt dadurch die kulturelle
Produktion. Das hat Margaret Thatcher damals schon in England gemacht. Zum
Preis, dass das Land wirtschaftlich gut dasteht, aber nur eine kleine
Elite gut lebt. Jene Bevölkerungsgruppe, die ihre Existenz gerade mal
bewältigen kann, nimmt ständig zu. Auch wir sind am besten Weg in eine
Zweiklassen Gesellschaft. ON Kultur: Wie wird sich das auf die Kunst und Kulturförderung
auswirken? In Österreich gibt es nicht viele Privatleute mit viel Geld, die die
Kunst fördern. Auch die Industrie hat es hier noch nicht verstanden, in
Kunst anzulegen. In Deutschland ist das anders. Die großen Firmen
investieren in diesen Bereich und wissen, sie müssen das für ihre Kunden
von morgen tun. Sie fördern ganz gezielt moderne Kunst, neue Musik und
neue Medien. Je härter die wirtschaftliche Situation ist, desto weniger Geld bleibt,
aber es passiert zumindest etwas. Dass die Privatwirtschaft seine Position
übernimmt, damit rechnet ja der Staat. Aber im Endeffekt wandern wir so
zurück in den Feudalismus. | ||||||
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