Homi Bhabha
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Links standen ein Blumentopf und
ein Pult, rechts ein Tisch mit Professoren und Mikrofonen, und in
der Zentralperspektive befand sich eine Videowand, auf der Homi
Bhabha aus Boston nach Berlin übertragen wurde: Mit dieser
Konferenzinstallation begann am Dienstagabend im Berliner Haus der
Kulturen der Welt der zweite Teil von Plattform 1 der
Documenta11, die Fortsetzung der Wiener Gespräche zum Thema
"Democracy Unrealised".
Der Livevortrag des Kulturtheoretikers Homi Bhabha fiel der
Operation "Enduring Freedom" zum Opfer, seine Anreise nach Berlin
war just für den Abend angesetzt, an dem in Afghanistan die ersten
Bomben fielen. Über Fernschaltung sprach Homi Bhabha dann doch -
nach einer kurzen Einleitung durch den Documenta-Chef Okwui
Enwezor, in der noch einmal das Prinzip der Plattformen erläutert
wurden, die in einer Bewegung rund um den Erdball im Juni 2002 die
fünfte Ebene in Gestalt der Ausstellung in Kassel erreichen sollen.
Bhabhas Verschiebung
Schon im Titel seines Vortrags nahm Homi Bhabha eine kleine, aber
entscheidende Verschiebung vor: "Democracy De-Realized" wählte er
als sein Thema, und sein Argument galt dann tatsächlich einer Form
der Entstellung geläufiger Vorstellungen von Demokratie. Die
Terrorakte vom 11. September hätten endgültig alle Auffassungen von
einer zielgerichteten Entwicklung der Demokratie zerstört, die hin
zu mehr Freiheit, mehr Menschenrechten und zur Eliminierung ihrer
Fehler führen würde.
Gegen diesen klassischen Topos der Geschichtsphilosophie setzte
Homi Bhabha seine bekannten kulturellen Dekonstruktionen: Die
Globalisierung müsste "ihre kolonialen Genealogien delinearisieren",
eine "kulturelle Front" müsste - mit Gramsci - dagegenhalten, in der
sich subalterne Gruppen mit ihren Erzählungen "tangential" zu
staatlichen Praktiken verhielten.
Die spätere Nachfrage aus dem Publikum, wo die Grenze zwischen
Subalternen und Terroristen zu ziehen wäre, beantwortete Bhabha mit
einem scheinbar einfachen, dabei aber einfach naiven Kriterium: Die
Terroristen operieren geheim, der von ihm entworfene "third space"
aber sei öffentlich. Spätestens an diesem Punkt musste auch dem
wohlwollenden Publikum klar sein, dass Bhabhas Metaphern für eine
Demokratie der "Berührung" ganz ähnlich den Unterschied zwischen
Kultur und Politik unterlaufen, wie es auch die Fundamentalisten
aller Lager tun.
Okwui Enwezors ganzes Documenta-Konzept trägt diese
Tendenz in sich. In einer höflichen Replik formulierte der anwesende
Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp dann sehr deutlich das
Dilemma: Wie lassen sich utopistische Konzepte wie das eines "Third
Space" der Imagination, des Gedächtnisses und der kulturellen
Vermittlung ihrerseits mit einem Denken konfrontieren, das von Carl
Schmitt und allen späteren politischen Theologen in die radikale
Entscheidungslogik von Freund/Feind gezwungen wird?
Die Terroristen vom 11. September haben diese andere "kulturelle
Front" mit Nachdruck wieder eröffnet, und es wird sich auf der Ebene
der Politik und des Rechts entscheiden, ob der "third space"
irgendwann wieder zu einem Raum des in erster Linie Symbolischen
werden kann. In einer Woche wird Wole Soyinka die Berliner Plattform
fortsetzen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 10. 2001)
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