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Kunstberichte
Augarten Contemporary: Personale des Preisträgers Nadim Vardag

Der Ort, das Auge und die Nacht

Nadim 
Vardags Diaprojektion "Ohne Titel" (2007). Foto: Georg Kargl 
Fine Arts

Nadim Vardags Diaprojektion "Ohne Titel" (2007). Foto: Georg Kargl Fine Arts

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Nadim Vardag ist Gewinner des BostonConsulting & BelvedereContemporary Art Award 2010. Es handelt sich mit 20.000 Euro um einen der höchstdotierten Preise der Privatwirtschaft für zeitgenössische Kunst. Die internationale Jury hat Vardag mit seiner präzisen Arbeit an Wahrnehmungsformen zwischen Kino und Ausstellungsraum überzeugt.

Er verbindet historische Recherche, architektonische Gegebenheit des Ortes mit seiner Funktion und postminimalistische Ästhetik für seine skulpturalen Wandelemente, Lichtinstallationen und Diaprojektionen sowie Videoarbeiten.

Helldunkel-Akzentuierung

Der weiße Präsentationsraum wechselt in den letzten Jahrzehnten zum Dunkelraum oder beide, "white cube" und "black box", sind Hauptvokabular des Ausstellungsbetriebs. Mit Akzentuierung des Helldunkels legt Vardag die hintergründigen Dinge bloß, die eigentlich nur ästhetische Mechanismen und Methoden befördern, also das, was allgemein unbeachtet bleibt. Für die Wahrnehmung spielt aber selbst das Leer-Bleibende eine große Rolle und wie die Wände stehen, wie die Dinge situiert sind, welche Projektionsflächen und Apparate verwendet werden. Eine Schule des Sehens samt ihren "Prothesen" oder "Requisiten" im allgemeinen Ausstellungstheater, das ja nicht viel älter ist als 100 Jahre. Die Veränderung der Medien im Laufe der Geschichte des dunklen Kinoraums bietet eine Wanderung durch Tag und Nacht mit allen Imaginationen.

Da wird die Zwischenwand zur Archiskulptur, die verschiebbare Tür zum Flächenbild, die Neonröhre oder das leere Diapositiv zum inszenierten Bildausschnitt aus Licht. Nicht nur die Veränderung von analog zu digital, auch technische Verschiebungen von Seitenverhältnissen in der Projektion von Filmen, von 4:3 zu Cinemascope etwa, werden hier analysiert. Etienne-Jules Mareys erstes durch eine Drehkonstruktion bewegtes Bild von 1882 verändert Vardag im Video "Zoetrop" zur digitalen Runde, die von der Seegans nun um sich selbst stattfindet. Zu Apparat und Ort kommt die Geschichte der abstrakten Kunst – im Augarten sind von den beiden letzten Ausstellungen unverputzte Reste belassen.

Als Zitat monochromer Malereigeste inszeniert der Künstler die abgerissenen Vermessungsstellen nicht, sie entwickeln aber ähnlich den Schattenzeichnungen von Tischgestellen des Designers Egon Eiermann hinter weißer Fläche eine eigene Dramatik. Der Dunkelraum und die flackernde Projektion lösen Irritation für Auge und Denken aus – das alles macht Kino spannender als die Wirklichkeit. Diese Ausstellung als Erfahrungsraum außerhalb der gewohnten Erzählungen ist allerdings nicht als Institutionskritik zu begreifen.

Aufzählung Ausstellung

Nadime Vardag
Eva Maria Stadler (Kuratorin)
Belvedere Augarten Contemporary
bis 28. November



Printausgabe vom Donnerstag, 16. September 2010
Online seit: Mittwoch, 15. September 2010 19:57:21

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