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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14. September 2005
21:02 MESZ
Von Markus Mittringer

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secession.at  

Foto: Secession/Herrmann
Angela Bulloch hat auf der Jugendstil-Bühne der Wiener Secession ein Ensemble aus "Pixelboxen" zum strahlenden Auftritt geführt.

Vom Eigenleben der Pixel
Die Wiener Secession zeigt "To the Power of 4", eine lockere Anhäufung von Angela Bullochs Pixelboxen

Wien - Als Bühne begreift Angela Bulloch die Wiener Secession. "Man geht die Treppen hoch", sagt sie, "öffnet die Flügeltüren und ist auf einer Bühne".

Agieren lässt sie dort neue Varianten ihrer aus dutzenden Ausstellungen hinlänglich bekannten Pixelboxen. Das sind Würfel, deren jeweils eine Seite Rot, Grün oder Blau zur Abstrahlung bringen kann - in verschiedenen Intensitäten, in verschiedenen Blinkrhythmen. Wir sehen also, mannshoch aufgeblasen, die kleinsten Einheiten eines Bildschirmes, jene Pixel ("picture element"), deren gefinkelte Kombination alle nur erdenklichen Bilder wiedergeben kann.

Choreografie der Pixelboxen

Dazu aber müssten die Pixel in Reih und Glied aufgefädelt stehen, und natürlich bräuchte es dazu auch viel mehr von ihnen. Allein, darum geht es ja nicht, das kann ja heute ohnehin jeder Monitor. Es geht also zwangsläufig darum, über die Potenz des einzelnen Pixels nachzudenken, oder darum, wie Bullochs Choreografie der Pixelboxen den ewig fordernden Hauptraum der Wiener Secession befragt, kommentiert, wieder einmal in ein neues Licht setzt.

Der Effekt liegt irgendwo zwischen Lichttherapie in der Biosauna und einer unorthodoxen Aufstellung von Donald-Judd-Skulpturen. Man könnte auch sagen, Dan Flavin wäre beim Installieren ausnahmsweise recht zerstreut gewesen.

Projektionen

Aber das ist nur eine Ebene. Angela Bulloch fügt ihrer beruhigenden Definition des Hauptraumes der Secession als Lounge ja noch Projektionen hinzu, Videos von Körpern in Bewegung. Das projizierte Ganze teilt sich dann gern in räumlich versetzte Teilbilder:

Da bewegt sich der Oberkörper eines Tänzers die Wand entlang, während dessen untere Gliedmaßen schon vorher von der Seitenwand einer der Aluminium- oder Sperrholzboxen rückgestrahlt werden. Auch das kennt man von der Scheinwelt der Theater.

Wehklagen

Und freilich auch ist den vereinzelten Pixeln der Angela Bulloch mit den massiert geordnet auftretenden kleineren Brüdern, wie sie in den Monitoren eingezwängt ihrer Bestimmung nachkommen - und eigentlich nur auffallen, wenn einer von ihnen, womöglich in der Bildmitte, seinen Geist aushaucht -, gemein, dass, wenn der alles steuernde Computer versagt, das Licht ausgeht. Auf dass ein großes Wehklagen einsetzen werde über die Stille, über den verpassten Anschluss ans Informationszeitalter. Oder im konkreten Fall eben über das jederzeit mögliche Versagen der steuernden Einheit, welches die Secession wieder auf ihren ursprünglichen Inhalt zurückfallen lassen würde.

Kunst und Geheimnis

So weit muss es ja nicht kommen. Die Boxen scheinen recht stabil zu sein. Für die Annäherung an das "Geheimnis" eines jeden Kunstwerkes uninteressant, für manche aber dennoch wichtig, gibt der Katalogtext zumindest die Machart preis: "In der Box befinden sich 14-Watt-Neonröhren in Rot, Grün und Blau, die über die Helligkeitsregelung jeweils 256 Farben erzeugen können. Insgesamt ergibt das theoretisch die verblüffende Anzahl von 16.777,216 Millionen generierbaren Farbtönen - eher eine abstrakte Zahl und wesentlich mehr, als das menschliche Auge unterscheiden kann."

Publikum als dreidimensionale Ergänzung

Und komplettiert wird das Ganze dann natürlich auch in diesem Fall erst wieder vom Publikum: Als weitere Ebene der Choreografie gibt es den unberechenbaren Part, streunt herum, vagabundiert, hält inne, verweilt oder verlässt abrupt die Bühne.

Das Publikum ist selbstverständlich die dreidimensionale Ergänzung zu den projizierten Performern, es bringt mit seiner Kleidung die Gegenwart in die doch recht mottig wirkende Inszenierung, es macht zwangsläufig fertig, was es womöglich schon ungemein satt hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2005)


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