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21.12.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Freak Out im Konzept-Land
VON ALMUTH SPIEGLER
Belehrungen mit Augenzwinkern und gekrümmtem Zeigefinger: "Funky Lessons" in der Bawag Foundation.

Ein dumpfer Aufschlag. Die nette Stu dentin vom Info-Stand ist gerade auf dem Marmorboden kollabiert und murmelt tranceartig englisches Textzeug über Konzepte und Hermeneutik. Erste Hilfe leisten? Den Notarzt rufen? Die Psychiatrie? Besser den Galeristen. Der Breakdown war gestellt, bestellt von Tino Sehgal, dem jungen britischen Künstler mit Wahlheimat Berlin, der Ausstellungen zum Einakter macht, das materielle Werk in Augenblicke auflöst. 2005 wird er den deutschen Pavillon bei der Biennale Venedig bespielen, für das Begreifbare soll der Maler und Bildhauer Thomas Scheibitz sorgen.

Doch um in der Kunst heute noch etwas begreifen zu können, muss rundherum meist viel erklärt werden. Und Kunst mit allzu viel Botschaft kann wiederum schnell ins Belehrende abdriften, reckt kompliziert den konzeptuellen Zeigefinger. Die Gruppenausstellung "Funky Lessons" - nach der Berliner Galerie "Büro Friedrich" jetzt in der Wiener "Bawag Foundation" zu sehen - krümmt diesen Theorie-Phallus, lässt ihn mehr oder weniger grinsend erschlaffen, sucht andere Wege der Vermittlung. Wenn John Baldessari spröde Texte von Ober-Minimalist Sol Le Witt zur Melodie der US-Hymne leiert, kann das schon ganz lustig sein. Und wenn Andrea Fraser sich, erregt vom schwärmerischen Text des Audio-Guides, an einem der gerundeten Pfeiler von Frank O'Gehrys Guggenheim Museum Bilbao reibt, ist das alles andere als eine penetrante Kritik an sakraler Museumsarchitektur und machistischem Geniekult.

Funky Lektionen eben, wenn man funky mit sexy, rhythmisch, körperlich übersetzt. Der Titel der Schau, die 13 Künstler aus sechs Ländern bestreiten, leitet sich übrigens von Adrian Pipers Video "Funk Lesson" ab: 1984 gab die Künstlerin einem Haufen weißer Studenten Nachhilfeunterricht in Sachen Funk. Zwischen "Shoulder shrug" und "Two step" erzählt Piper über die Wurzeln von "Funk Music", ärgert sich, dass Elvis und die Rolling Stones Millionen verdienen, während ihre schwarzen Vorbilder sich mit weit weniger begnügen mussten. Gesellschaftskritik, verpackt in eine fröhlich-beliebige Tanzstunde - die strenge Tafel, auf die Piper manchmal mit Kreide Schlagwörter kritzelt, wirkt lediglich als ironisches Zitat der guten alten Aktionskunst.

Tanzend auch versuchte Aleksandra Mir innerhalb eines Monats Mexico-City zu verstehen. Ein nächtlicher Latin-Freak-Out, dokumentiert durch ein Video-Tagebuch. Ziemlich ausgeflippt umkreist auch Erik van Lieshout sein ernstes Thema: Er lässt uns in einen seltsamen Crossover-Verschlag aus 70er-Design und Slum-Hütte kriechen, um ihm dabei zuzusehen, wie er irgendwo in Afrika einen "Lariam-Rap" einübt - wohl zurückzuführen auf die Nebenwirkungen des umstrittenen Anti-Malaria-Mittels. Ästhetisch strenger weist Marko Lulic darauf hin, dass man ruinierte Denkmäler nicht einfach wieder aufbauen kann: Er hat Mies van der Rohes von den Nazis zerstörtes Monument für Rosa Luxemburg als Multiple produziert, ganz glatt, in Rot, in Silber, wie aus einem Überraschungs-Ei. Und Franz West stellte einen rosa Laokoon-Kopf auf ein Rednerpult, die Lessing-Lektüre ist dem Sockel zu entnehmen.

Inzwischen ist die nette Studentin wieder bereit zum nächsten konzeptuellen Umfaller. In ihrem Interesse allerdings nur darf man auf nicht zu viele Besucher hoffen.

Tuchlauben 7a, Wien 1, bis 26. 2., Mo.-Sa. 10-18 h; geschlossen: 24. und 25. 12., 1. und 6. 1., Eintritt frei.

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