Quer durch Galerien
Im siebenten Barbiehimmel
Von Claudia Aigner
"Das is der Malteserfalke, den ich hier mache." So aus dem
Zusammenhang gerissen, klingt das natürlich unschicklich. Obwohl: Mrs.
Wonderly flüstert dem Sam Spade ja eigentlich nirgends hauchzart verrucht
ins Ohr: "Mach mir noch mal den Malteserfalken, Sam." Na ja, zumindest
hört es sich aber irgendwie nach Körperbeherrschung an. Josef Wais, der
Obiges gesprochen hat, als er gerade vor seinem "Film Noir" stand, einer
Polaroidserie mit abgründiger Lichtstimmung, beherrscht auf dem Foto, auf
das er dabei gezeigt hat, tatsächlich Teile seines Körpers, konkret: seine
zwei Hände, mit denen er einen Vogelschatten irgendwohin wirft (und
zugegebenermaßen einen "Malteserfalken" macht, der jeder Vogel sein
könnte). Apropos Handarbeit: Josef Wais, der Gründervater der
Fotogalerie, der dort (Währinger Straße 59) nach 20 Jahren endlich seine
wohlverdiente Werkschau bekommen hat (bis 30. Juli), hat auch ein gewisses
Faible für Fotoapparate mit besonderen Bedürfnissen. Als etwa bei einer
Kamera der Verschluss kaputt war, hielt er einfach die Hand vors Objektiv
und zog sie dann gezielt weg, gab sie wieder drauf etc. So hat er 1965
eine Canasta-Runde spannend experimentell, kurz: verwegen fotografiert.
Erstaunlich unverwackelt. Wais: "I hab a ruhige Hand." Ja, stimmt. In
seinem verspielt zwischenmenschlichen "Fetischballett" (1990), einer Art
Balztanz in freien Rhythmen, finden seine Finger, während er selbst
Strapse trägt, zielsicher die Brustwarze seiner Balzpartnerin (mit der
schlafwandlerischen Sicherheit sozusagen, mit der die späteren blauen
Flecken der Prinzessin auf der Erbse die Erbse gefunden haben).
"Heaven" (1983): Da hat er an der Barbie herumhantiert ("Da war ma
eben fad im Kopf"). Die Barbie, mit der die kleinen Mädchen im
Kinderzimmer das perfekte Erwachsenenleben ausprobieren, ist ja nicht nur
die kapitalistischste, sprich: "konsumentischste" aller Puppen, nämlich
die mit dem größten Wunschzettel und vollsten Kleiderschrank, sondern ist
halt auch das, pardon: geilste Pupperl im Spielzeuggeschäft. Wenn also
große Buben eine Schachtel mit Barbiepuppen samt Zubehör (samt Ken zum
Beispiel) in die Finger kriegen, dann sind Barbie und Ken bald im
siebenten Barbiehimmel. Wais hat die beiden freilich nicht bloß
vorsätzlich in unzweideutig unartigen Situationen erwischt, sondern auch
bei unüberbietbar kitschiger, erschreckend beneidenswerter Romantik
ertappt. Barbie und Ken - Glückseligkeits-Dummys eben. Immer wieder
wird' s beim Wais mehr oder weniger politisch. Etwa wenn er Insignien der
Macht an sich austestet. Kopfbedeckungen machen aus ein und demselben
hochstaplerisch dreinblickenden Wais einen König, Gendarmen oder Zauberer.
Sein formaler und inhaltlicher fotografischer Spieltrieb ist übrigens sehr
ansprechend. Wie seine Vielseitigkeit. Und komponieren tut er auch.
Faszinierend irritierend: Seine eigenwilligen Partituren sind als
unspielbare Zeichnungen "getarnt". Am 29. Juli um 18 Uhr werden hier in
der Galerie trotzdem ein paar "Zeichnungen" aufgeführt. Das was die
Fußballspieler unter ihrer Beinarbeit haben, das, also der Fußballplatz,
ist bei Susanne Sous auf einem Ring (der aber nicht zwangsläufig der
Ehering ist, den sich der Fußballfan bei einer mystischen Hochzeit vor dem
Fernseher verliebt an den Finger steckt, während eine Stimme von oben
hallend erschallt: "Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Fußball"). Der
Schmuck - es gibt auch Ketten mit Sportbekleidung - lebt aber nicht vom
Gag allein, er gefällt auch wegen seiner handwerklichen
Gewissenhaftigkeit. Bis Ende Juli bei V & V (Bauernmarkt 19).
Erschienen am: 25.07.2003 |
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