22.01.2003 18:36
Gauner-Ska und kleine Feuer
Grazer
Schauen im Forum und Kunstverein
Mit Liedgut der Kategorie Gauner-Ska,
Wodka-Schneebars (inkl. "Schnee-Sponsoring"), original russischem TV und
Zigaretten, ja sogar einer altrussischen offenen Garage importiert Graz eine
weitere Jubelstadt ins Jubeljahr 2003.
St. Petersburg feiert sein
300-jähriges Bestehen auf seinen ehemaligen Sümpfen, schickt eine
bildende.dis-kurs.film.rock-Delegation als "Aktuelle Kunst" ins Forum
Stadtpark. Die Petersburger Nekrophilen entwerfen im Rotor ihre
Weltbilder (DER STANDARD berichtete), im Forum
dagegen wird live gearbeitet und gelebt. Da entstand ein wändefüllendes Comic
von Kirill Suvalov, in dem das so genannte "Venedig des Nordens" bildlich von
seinen alles andere unterdrückenden Klischee-Klassikern - Büchern von Tolstoj,
Dostojewski und Konsorten - niedergebombt wird: Frieden und Krieg auf
Russisch, Ähnlichkeiten mit anderen Städten (Mozartkugeln über Salzburg?) sind
rein zufällig.
Petersburg steht grosso modo im Gegensatz zum
konzeptuellen Moskau für - homoerotisch getönte -Boheme, barocke Üppigkeit,
Neo-Akademismus. Der kann auch etwas daneben gehen wie die klassizistischen
Selbstinszenierungen von Maslov/Kuznecov, auch wenn der performative Charakter
der Aktionen betont wird. "Sprechende Kleider" hat das Duo Gljuklja und Caplja
recht gespenstisch in einem Kellergang inszeniert. Keine Wearables, sehr
russisch. Das Petersburger Filmschaffen, vom Experimentalfilm bis zum
Kassenschlager Brat (Bruder) - inklusive russischem James Dean - läuft im
Rechbauerkino.
Weniger aus dem prallen Leben als aus der Kunstgeschichte
schöpft der junge Brite Jonathan Monk in seiner Installation, deren Titel vieles
schon erklärt: small fires burning (after Ed Ruscha after Bruce Nauman
after). Monk filmt mit schleifend-drehender Kamerabewegung das langsame
Abbrennen von 16 Blättern eines 1964 veröffentlichten Ed-Ruscha-Künstlerbuches,
welches wiederum brennende Gegenstände zeigt.
Bruce Nauman hatte dies
ebenfalls bereits 1967 gemacht und in burning small fires dokumentiert.
"Fortlaufende Vernichtung als Wertschöpfung" (Raimar Stange) in der Kunst könnte
man diese selbstbezügliche Aktion nennen. Nauman hatte wenige Dollars für Ruscha
bezahlt, Monk bereits 1600 Dollar - und nun geht es weiter mit dem Preis für das
Video. Verdopplungen in der Kunst sind systematisch heutzutage: Graz ist dafür
das beste Beispiel, etwa mit der Uhrturm-Doublette von Markus Wilfling.
(DER
STANDARD, Printausgabe, 23.1.2003)