Ausstellungen |
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Wien Johanna Kandl Christian Kravagna | |||
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Secession 3. Dezember 1999 bis 16. Jänner 2000 Die konzeptuell geschlossenste Werkgruppe, und wohl auch das Herzstück dieser Ausstellung, bildet eine Serie von - mit einigen Ausnahmen - kleinformatigen Bildern (Tempera/Holz; meist 30 x 40 cm), die in den letzten zwei Jahren nach fotografischen Vorlagen gemalt wurden. Die Fotos entstanden auf Straßen und Plätzen in Wien, vor allem aber auf zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalten in osteuropäischen Ländern. Ihre Motive sind städtische, vorstädtische und dörfliche Orte, an denen Kleinhandel mit Waren aller Art - von Lebensmitteln über Blumen bis zum Gebrauchtwagen - betrieben wird. Marktstände und Sonnenschirme, KundInnen und VerkäuferInnen übersetzt Kandl aus der fotografischen Flüchtigkeit in einen sehr spezifischen, großflächigen und starkfarbigen malerischen Realismus, der vielleicht am ehesten an amerikanische Realismen der Zwischenkriegszeit erinnert, mit denen er die (absolut unheroische) Monumentalität der Figuren und eine gewisse melancholische Grundstimmung gemein hat. Den meisten dieser Bilder sind Textfragmente eingeschrieben, die der Sprache von Börsenanalysten, Unternehmensberatern und Wirtschaftsmagazinen entnommen sind und sich auf ökonomische Erfolgskonzepte im globalen Wettbewerb beziehen. Mit Sätzen wie »you will manage teams and portfolios around the globe« über einem bescheidenen Gemüsestand oder »the ability to rapidly respond to a constantly changing marketplace« neben Verkäufern mit einem Haufen bedruckter Stoffe sprechen diese Bilder von zwei weit auseinanderliegenden ökonomischen Welten. Die Bilder einer primitiven Elementarökonomie lassen die ihnen zugeordneten Managementphrasen absurd erscheinen. Der gewollte Dynamismus dieser Sprache wird konterkariert von der zeitlosen Rückständigkeit ökonomischer »Ur-Szenen«, in denen HändlerInnen, Waren und KundInnen in räumlicher und zeitlicher Kopräsenz stehen. Man könnte diesen Bildern unterstellen, dass sie durch den Hinweis auf eine physisch erfahrbare und lesbare Realität des Ökonomischen die Illegitimität oder zumindest Deplatziertheit der neoliberalen Wirtschaftssprache behaupten wollen und dabei eine fragwürdige Trennung in realere und weniger reale ökonomische Sphären vornehmen. Auch wenn Johanna Kandl damit eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen festhält und wohl auch die verdrängten Ebenen »globaler« Wirtschaftskonzeptionen wieder hineinreklamiert, so scheint doch gerade ihr Realismus, als Stil von ähnlich zeitloser Rückständigkeit wie seine Gegenstände, den unterstellten Wirklichkeitsbonus zu relativieren. Dieser Realismus als Maskerade steht kaum in einem direkteren Verhältnis zur Wirklichkeit als die Worthülsen der Business-Slogans. Auf der Ebene der Ausstellungsgestaltung wiederholt Kandl die Idee zweier Räume. Eine durchgehende Wand teilt den Raum in zwei Bereiche ohne direkte Verbindung, doch findet man in den jeweiligen Objekten oder ihrer Präsentation keine Hinweise auf irgendwelche substanziellen Differenzen zwischen den Bereichen. Diese unmotivierte Trennung ließe sich als Kritik an alten und neuen Mauern und Grenzen lesen. Von hier aus lässt sich aber auch noch einmal auf die Bilder zurückblicken, um ihre scheinbar weit auseinanderliegenden ökonomischen Welten unter Perspektiven von strukturellen Zusammenhängen oder Kompensationsverhältnissen zu betrachten. Die privaten bis semi-privaten Bilder, die Kandl in wahlzellenartigen Einbauten zeigt, erzählen zurückliegende Begegnungen mit Fremden und FreundInnen, fast immer in einer Weise, die individuelle Geschichten vor historisch-politischen Hintergründen anspricht. Wie sich hier Subjekt- und Weltgeschichten überschneiden, wäre ein weiterer Anlass, auch in den ökonomiekritischen Bildern nicht nur die Widersprüche zwischen den durch Text und Bild vertretenen Wirtschaftswelten zu sehen, sondern auch deren wechselseitige Abhängigkeiten. | |||
© 1997-99 springerin |
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