Der altbewährte Comic entwickelt sich zur neuen
Vermittlungsform für Wissenschaft und Geschichte
Mäuse, Menschen und Probleme
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Der Comic als politisches Bekenntnis: Marjane Satrapi beschrieb in
"Persepolis" ihre Jugend im Iran. Foto: imageforum
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Von Julia Urbanek
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Von
Comic-Moral, Straßensprache und neuen Geschichten.
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Comic-Festival in Oberösterreich von 4. bis 11.
März.
Linz. Der Inflektiv ist eine Verbform, mit der sich
auch wortkarge Halbwüchsige anfreunden können. Gebildet wird sie durch
Weglassen der Infinitivendung. Soweit zur Theorie. Der praktische
Lebensraum der grammatischen Form sind Chatrooms und soziale Netzwerke,
wo sie als "liebschau" oder "grins" auftaucht.
Die Vorbilder der jugendlichen Epigonen sind mehr als 60 Jahre alt
und in Entenhausen oder Gotham City zuhause. Wenn Donald Duck sich
ärgert, ist das nicht selten von "ächz", "seufz" oder "keuch" begleitet,
wenn Batman mit seinem Batmobil auf Verfolgungsjagd ist, tauchen
"quietsch" oder "brems" in der Sprechblase auf. Bevor die Verbform 1998
den seriösen Namen Inflektiv erhielt, wurde sie oft "Erikativ" genannt –
nach Erika Fuchs, die als langjährige deutsche Übersetzerin der
Donald-Duck-Comics die verknappten Ausdrücke prägte. 1951 erschien in
Deutschland das erste "Micky Maus"-Heft. Für die erste Ausgabe mussten
75 Pfennig Taschengeld ausgelegt werden, für eine gut erhaltene
Erstausgabe zahlen Sammler heute mehr als 10.000 Euro.
Sprachverarmung der Jugend
Die Verknappung der Sprache brachte Comics bald den Ruf ein, eine
Sprachverarmung und Verrohung der Jugend zu bewirken. Österreich habe
den Comic besonders verweigert, erklärt Gottfried Gusenbauer,
Comiczeichner und Leiter des Festivals NextComic. "Die Comic-Kultur war
nach 1945 die Kultur der Besatzer Frankreich und USA. Sie wurden
erfolgreich bekämpft, es hieß, Comics machen dumm. Allerdings sind
Comics tatsächlich lesefördernd."
Schon der erste Comic schockierte: "The Yellow Kid" erschien 1896, in
den Sprechblasen des New Yorker Buben im gelben Nachthemd stand
Straßensprache reinster Ausprägung. "Damals hatte man schon Angst, dass
die Kinder das übernehmen könnten", erzählt Gusenbauer.
In den 1960er Jahren ging die Sorge der Eltern noch so weit, dass
Verleger in Europa einen Moral-Kodex, den "Code Moral Europress Junior"
aufstellten, der unmoralische und Gewaltszenen in Comics verbot. "Es ist
eine irre Sache, wie man die Kunstform eingegrenzt hat", sagt
Gusenbauer. "In den 80er Jahren gab es eine Gegenbewegung mit brutalen
Comics, seit den 90er Jahren ist es wieder ausgeglichen. Jetzt geht es
wieder um Geschichten."
Die Kunstform Comic, in der sich Zeichnung und Literatur auf
kleinstem Raum treffen, wurde international längst auf eine höhere Ebene
gehoben: Graphic Novels stellen die literarische Variante zu
Mainstream-Comics dar. In Frankreich gilt Comic als die "Neunte Kunst".
Mangas, die japanische Form des Comics, haben Europa längst erobert.
"Viele Autorinnen sind auf den Plan getreten", meint Gusenbauer.
"Dadurch sind die Geschichten intelligenter geworden, es gibt nicht mehr
die Kiffer- und Busen-Comics der 80er Jahre."
Zunehmend widmet sich der Comic auch ernsteren Themen: 1992 gewann
Art Spiegelman mit "Maus – Die Geschichte eines Überlebenden", einem
Comic über die Shoah, den Pulitzerpreis. Die in Paris lebende Iranerin
Marjane Satrapi beschrieb in "Persepolis" ihre Kindheit im Iran während
der islamischen Revolution. "Es gibt so viele Dokus über den Iran,
Satrapi hat mit dem Comic eine extreme Nische besetzt", sagt Gusenbauer.
Bauanleitung als Comic?
2010 erschien die Geschichte des jüdischen Mädchens Anne Frank als
Comic. "Den klassischen Comic-Leser gibt es nicht mehr", sagt
Gusenbauer, den klassischen Comic auch nicht: 2010 erklärte der Deutsche
Jens Harder mit einem über 350 Seiten starken Comic die Evolution des
Menschen. "In Zukunft werden auch alte Menschen Comics lesen", sagt
Gusenbauer. Sie bekämen so Bedienungsanleitungen oder medizinische
Informationen vermittelt. "Auch Ikea-Bauanleitungen sind eine Art Comic"
– denen manchmal auch ein Inflektiv gut täte: "ächz", "schraub",
"schwitz".
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NEXTCOMIC Festival
austrianillustration beim Nextcomic
Festival
Printausgabe vom Dienstag, 01. März
2011
Online seit: Montag, 28. Februar 2011 16:48:00