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Kunstberichte
Der Kunstraum Niederösterreich beleuchtet das Phänomen Postdemokratie

Ein Zeichen der Hoffnung

Symbol einer 
Demokratiebewegung? Diego Maradona in einer Arbeit von Christine 
Würmell. Foto: Würmell

Symbol einer Demokratiebewegung? Diego Maradona in einer Arbeit von Christine Würmell. Foto: Würmell

Von Christof Habres

Aufzählung Demokratie oder schon Postdemokratie? Ein vielschichtiges Themenfeld, mit dem Kuratoren ganze Museen und Kunsthallen bespielen könnten. Jeden Abend in den TV-Magazinen – oder in parallel ausgestrahlten Society-Formaten – kann bei aufmerksamer Beobachtung festgestellt werden, dass die demokratischen Institutionen in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Vertrauensverlust erlitten haben.

Sei es nun, dass die unkontrollierbaren Finanzmärkte in das tagespolitische Geschehen eines Staates hineinregieren, gewählte Regierungen über heikle Themen lieber Volksbefragungen abhalten oder auch nur, wenn sich ein Society-Baumeister zum Präsidentschaftskandidaten küren lässt.

Entsprechen unsere tradierten demokratischen Institutionen nicht mehr der gesellschaftlichen Entwicklung? Regieren eher Märkte und Medien als Politiker?

Wirtschaft und Widerstand

Eine Unzahl an Fragen, die in einer Ausstellung mit diesem Thema behandelt werden hätte können – und bei der die Gefahr bestanden hätte, zu viel zu wollen und dadurch beliebig zu werden. Der Berliner Kurator Raimar Stange hat sich sehr geschickt einem oberflächlichen Ansatz entzogen und liefert mit seiner Präsentation im Kunstraum Niederösterreich einen reduziert-sezierenden Blick auf einen wesentlichen Aspekt der Debatte: Sein Konzept beschäftigt sich inhaltlich mit der Machtverschiebung von nationalstaatlichen Demokratien hin zu der kaum fassbaren Gruppe der Global Player und fokussiert auf den Widerstand gegen diese.

Die neun vertretenen Künstlerinnen und Künstler nähern sich der Thematik in den verschiedenen Medien an. Wie bei den beiden Zeichnungen von Christine Würmell, die den Fußballstar Diego Maradona während einer Demonstration in Buenos Aires zeigen, mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Stop Bush". Wobei das "s" im Nachnamen als Swastika zu sehen ist. Bei dieser Arbeit stellt man sich unweigerlich die Frage, ob Prominente wie Maradona Symbolfiguren einer neuen Demokratiebewegung sein können.

Daneben hat der rumänische Künstler Dan Perjovschi acht rauchende Schlote an die Wand skizziert und mit "Kyoto" unterschrieben. Ein lakonischer Hinweis, dass das Beharrungsmoment der Nichterfüllung dieser Protokolle durch nationalstaatliche Demokratien stärker sein dürfte als die Angst vor einer Klimakatastrophe. Rirkrit Tiravanijas kreiert aus Zeitungsbildern beeindruckende Bleistiftzeichnungen, die unter anderem die Demonstrationen in Thailand zu einem stummen Aufschrei einer protestierenden Masse werden lassen. Das zufällig aufgenommene Video von Bjorn Melhus "America sells" zeigt eine eher ungelenke Cheerleader-Gruppe aus den USA, die 1990 am Tag der D-Mark-Währungseinheit in Berlin Freudentänze aufführt und durch ihre naiv scheinende, aber imperialistisch-missionarisch wirkende Präsenz Beklemmung hervorruft. Die raumgreifende Wandarbeit von Oliver Ressler zitiert den nun gängigen Ausspruch "Too big to fail" von Bankdirektoren und Finanzministern. Der wird dafür verwendet, um öffentliche Subventionen von in Schieflage geratenen internationalen Großbanken zu rechtfertigen. Hier wird der Schriftzug mit Fotografien von Demonstrationen unterlegt, die sich gegen diese Vorgangsweise auflehnen. Ein Zeichen des Hoffens, dass es in absehbarer Zeit nicht mehr die Banken, sondern die Kräfte demokratischer Gesinnung sind, die als "Too big to fail" definiert werden.

Es ist dem Kunstraum Niederösterreich hoch anzurechnen, dass er mit dieser klugen, aber auch kontroversiellen Ausstellung seine politisch-prononcierte Programmatik fortsetzt. Kein risikoarmes Unterfangen in Zeiten allgemeiner Budgetkürzungen.

Aufzählung Ausstellung

Nach Demokratie
Kunstraum Niederösterreich
1010 Wien, Herrengasse 13
bis 12. März

 

Printausgabe vom Freitag, 21. Jänner 2011
Online seit: Donnerstag, 20. Jänner 2011 15:56:00

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