Kunstwerke mit viel Geschmack
Mahlzeit! Eine üppige Schau im Salzburger Traklhaus zeigt 74 Künstlerpositionen zum Thema Essen.
CLEMENS PANAGL SALZBURG (SN). Verzückung oder Überwindung? Lust oder Ekel? Der Gesichtsausdruck der Künstlerin Marina Abramovic, die in dem Bild „The Onion“ in eine ungeschälte Zwiebel beißt, könnte beides bedeuten. Madonnenhaft blickt sie nach oben, während sie das scharfe Gemüse zerkaut.
In der Salzburger Galerie im Traklhaus ist ein großformatiger Farbfotodruck aus Abramovics gleichnamiger Videoarbeit (1996) zu sehen – als eine von 74 Positionen zu einem ewigen, großen Kunstthema.
In der Ausstellung „Mahlzeit“, die ab heute, Mittwoch, geöffnet ist, geht es nur um eines: ums Essen. Prominente Beispiele von Andy Warhol, Joseph Beuys, Daniel Spoerri oder Hermann Nitsch hat Ausstellungsmacherin Dietgard Grimmer mit Arbeiten von österreichischen und im Speziellen Salzburger Künstlern zu einer opulenten, kulinarisch abwechslungsreichen Schau arrangiert.
In der erwähnten Videoarbeit von Abramovic löst sich das Rätsel des Gesichtsausdrucks bald: Die serbische Performance-Künstlerin isst die Zwiebel zur Gänze auf, während ihr schon Tränen des Schmerzes über die Wangen laufen.
In Grimmers Auswahl lassen sich dagegen die verschiedensten Zugänge zum Thema Essen studieren: lustvolle, ironische, einstmals revolutionäre (Beuys, Spoerri) oder mit Geschmacks- und Ekelgrenzen spielende.
An die Fettskulpturen von Joseph Beuys erinnert Christian Eisenbergers weißbräunlicher „Kuchen“ aus karamellisiertem Würfelzucker.
Von Beuys selbst ist dafür die „Capri Batterie“ (1985) zu sehen – eine gelbe Glühbirne, die an einer Zitrone angesteckt ist.
Naturbelassen, also gewissermaßen „bio“ oder mit Konservierungsstoffen versehen? Das ist auch bei der Essens-Kunst eine Geschmacksfrage. Von Daniel Spoerri sind Beispiele seiner „Eat Art“ ausgestellt: Der Künstler erhob Essen in den Rang von Kunst, indem er etwa die Reste von beendeten Mahlzeiten, so wie er sie auf dem Tisch vorfand, konservierte und fixierte. Dieter Roth wiederum ließ in seinen Werken dem Material alle künstlerischen Freiheiten zu naturgegebener Veränderung: Im „Käserennen“ (1969) etwa rannen Weichkäsestücke um die Wette aus.
Osterpinzen von Jeff Koons, ein Spiegelei-Gemälde von Otto Mühl, das „Letzte Abendmahl“ von Hermann Nitsch oder essensbezogene „One Minute Sculptures“ von Erwin Wurm: Zu Bestaunen gibt es in der Sommerausstellung im Traklhaus viel. Für Übersicht in der Fülle sorgt die Ordnung nach Themenbereichen wie Stillleben, Performancekunst oder Tischszenen. Im Studio liegt der Schwerpunkt auf vermeintlich Süßem: Dort wartet etwa ein zuckerlrosa Punschkrapfen des Bildkombinats Bellevue.
Dass Kunst so notwendig wie ein Lebensmittel ist, wird in Kulturdebatten oft als Argument angeführt. In welchem Ausmaß Lebensmittel Kunst sind, zeigt die Ausstellung „Mahlzeit“ bis 26. September eindrücklich.Zur Ausstellung ist im Verlag Jung und Jung ein Katalog erschienen.