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Kunstberichte

Galerien live

Illustration

Der Wille zur Botanik

(cai) Jeff Goldblum ist bekanntlich vor laufender Kamera zu einer gemeinen Stubenfliege mutiert. Zu einer sehr gemeinen. Aber das war ja reine Gentechnik. Und ist nix gegen das, was vier Zweibeinern aus der Asphalt-Tiefebene (vier sogenannten Städtern) passiert ist. Die schauen jetzt, nach ihrem kathartischen Pilgermarsch durchs Grüne, durchs Schlaraffenland der Romantiker, nämlich aus wie Caspar David Friedrich (der Häuptling der deutschen Romantiker). Denn nachdem sie sich erwartungsvoll dem Elbsandsteingebirge ausgesetzt hatten, sind ihnen plötzlich, im Chlorophylldusel, üppige Backenbärte aus Moos gesprossen. Ein Wunder. (Oder bloß Wangentoupets aus der Gärtnerei, mit denen sie aber womöglich Photosynthese betreiben und ihren eigenen schlechten Atem recyceln können.)

Die Natur-Amateure (Sonntagswanderer) von der Gruppe Mahony, die sonst anscheinend auf der "Via bituminata" wandeln (auf dem Bitumenweg, dem Gehsteig), haben von ihrem Openair-Gottesdienst in malerischen Gefilden auch einen Flakon mit "Pilgerwasser" mitgebracht. Die kostbare Essenz des Morgentaus (H 2 O). Die primitive Vorrichtung zu deren Gewinnung: eine saugstarke Männerunterhose, zwischen Wanderstöcke gespannt. (Wie? Ist das Ganze etwa eine Metapher für Blasenschwäche?) Statt von den Blättern tropft der Tau vom Plafond, gespeist von einem liebevoll simulierten Wasserrohrbruch.

Religiöse Erschütterung überall (wie beim Friedrich). Die Aufstiegshilfe im steilen Gelände wird zur Jakobsleiter, die in der Galerie als behelfsmäßige Holzstiege zum märtyrerhaften "Haushaltsunfall" einlädt. Romantik lässt sich sogar erzwingen: Den Mond können sich begnadete Bastler von charmant primitiven Kulissen ja aus Papier machen und über die Schlucht hängen. Das Foto davon schmachtet in einem Kasten von der Caritas. Ein Kunst gewordenes Armutsgelübde.

layr:wuestenhagen

(An der Hülben 2)

Mahony

Bis 17. März

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 16 Uhr

Improvisationstalente.

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Held des Pingpongs

(cai) Die kennen wir ja von den Russen: die in Stein gehauenen Fäuste der Helden der Arbeit, geballt um Hammer oder Sichel. Aber um einen Tischtennisschläger? Für Helden des Pingpongs wären doch eher die Chinesen prädestiniert und nicht die Slowaken. Was Julius Koller in den kommunistischen Jahren unsrer Nachbarn getan hat (mit gelassenem Humor), zeigt jetzt die Galerie Janda. Mit demselben offiziellen Zeichengerät für die sturen Linien vom großen Tennisplatz sieht man ihn zuerst ein vorschriftsmäßiges Spielfeld malen (Tennis: ein zwischenmenschliches Regelsystem, geradezu eine Gesellschaftsform). Und dann ein Fragezeichen. Die häretische Interpunktion, Ausdruck der Skepsis. Kollers Globus: weiß wie ein Pingpongball. Totalamnesie der Geografen. Und wenn ein leerer Bilderrahmen ein Stück Wand zum Bild erklärt, ist das sicher kein sozialistischer Realismus mehr. Sondern am ehesten asozialer Realismus. Oder demokratischer Naturalismus.

Galerie Martin Janda

(Eschenbachgasse 11)

Julius Koller

Bis 24. Februar

Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Reichhaltig.

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Vorsicht: Haus!

(cai) Sein Baugrund ist beinhart symmetrisch. Und das Häuschen stellt Engelbert Erben gewissenhaft drauf wie ein Verkehrszeichen. Ohne Schnickschnack. Wie ein Piktogramm (Vorsicht: Haus!). Gut, es steht nicht immer in bester Lage. Der dunkle Balken könnte ja die im Titel genannte A2 sein. Aber ansonsten: alles beschaulich sauber und perfekt kalkuliert. Der Locus amoenus der Getreuen des Lineals. "Lieblich" weil: ohne "Unkraut". Ohne Emotion. Hat was Beruhigendes. Könnten freilich genausogut abstrakte Farbflächen sein, die ein Verhältnis miteinander haben (ein harmonisches).

Galerie Lindner

(Schmalzhofgasse 13)

Engelbert Erben

Bis 2. März

Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr

So hammas gern.

Mittwoch, 21. Februar 2007


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