Quer durch Galerien
Gibt es ein Jenseits vor dem Tod?
Von Claudia Aigner
Sonne, Strand, Meer - und alles immer gleichzeitig.
Das Wasser türkis wie ein Swimmingpool in Kalifornien, in der Luft:
wahrscheinlich 28 Grad Celsius, im Türkis: 26 Grad. So perverse
Fantasien hatte ja nicht einmal Hieronymus Bosch. Und der hatte immerhin
ein selbsttätig sadistisches Messer mit zwei gigantischen Ohrwascheln im
Sortiment (in seiner Höllenkollektion äh -vision), eine scharfe Klinge
quasi mit extrem "saugstarken" Ohren dran, mit denen sie sich an den
Schmerzensschreien der Geschnetzelten weiden kann, während sie die Sünder
wie Petersilie hackt und nicht das leiseste Wimmern versäumt. (So in der
Art jedenfalls.) Meine Vorstellung von der Hölle: Ein weißer
Sandstrand (folglich mit enormer lichtreflektierender Wirkung) im
immerwährenden Sommerhoch. Und alle Badegäste sind vom Hauttyp I
(bleichhäutig, mit vielen, vielen Sommersprossen). Und jeden Tag um Punkt
11 werden ihnen von ihren persönlichen teuflischen Betreuern, den
Höllenanimateuren, die Sonnenhüte (ihre letzten Zufluchtstätten) von den
Köpfen gerissen und in der Zeit zwischen 11 und 15 Uhr auch alle
Sonnenschirme abgespannt. In der zynischen Sprachregelung der Badehölle,
also auf Beelzebübisch, heißt das: "Heliotherapie". Und nirgendwo ein
Lichtschutzfaktor weit und breit (ein Flascherl Sonnenmilch zum Beispiel).
Und es gibt nur Pfefferschoten und Wodka als Verpflegung. Und die zum
ewigen Strandurlaub Verdammten, die im UV-Licht ertränkt werden, kriechen
rotglühend und mit Sodbrennen umher, brennen innen und außen, und zeigen
so genannte "photoallergische Reaktionen", haben diabolisch juckenden
Ausschlag. Nur ihre Hintern jucken nicht. Weil sie zumindest die Badehosen
anbehalten dürfen. Aus Schicklichkeit. Und nicht einmal in der Nacht geht
die Sonne aus. Wenn das nicht ganz wie auf den "sonnengebleichten"
Fotos von Massimo Vitali ist! Oder: Fast so. (Dies ist jetzt wohl der
Zeitpunkt, an dem ich mich als Sonnenallergikerin outen sollte. Als
Schattenanbeterin, als Jüngerin eines Schattenkults. Zentrale kultische
Handlung: ausgedehntes Schattenbaden. Zentrale Glaubenswahrheit: Die Sonne
ist nicht anbetungswürdig, sie ist ein Allergen.)
Hilger
Contemporary: Massive Freizeitgestaltung
Die Aufnahmen des 1944
in südlichen, italienisch grellen Lichtverhältnissen geborenen Vitali
(Fotos, die noch dazu so einschüchternd groß sind wie klassische
Historienmalereien) sehen also aus wie aus einem Reiseprospekt für eine
Höllenfahrt. Des einen Himmel ist eben des andern Hölle. Beziehungsweise:
Des einen irdisches Paradies, das den guten Katholiken ja noch vor dem
Jüngsten Gericht verheißen ist, vor dem offiziellen Einlass in den Himmel
somit, ist des andern Fegefeuer (das einstweilige Depot für die nicht so
Guten, ihr unbequemes Zwischenlager). Denn vielleicht werden da ja alle
gerade vom Fegefeuer geläutert. Vom Sonnenbrand. (Ich weiß die Tarife zwar
nicht mit Sicherheit, aber ein früher Pater glaubte zu wissen: eine Stunde
Purgatorium, also in dem Fall ungeschütztes Sonnenbaden, pro Sünde.)
Natürlich spricht einiges dafür, dass Vitalis glückselige
Poolpartygefilde und Sand- und Felsstrände, verklärt vom UV, eigentlich
die ewige Wohnstatt der Auserwählten sind. Nicht zuletzt weil die Welt,
die bekanntlich eine Farbwelt ist, mitsamt ihren Farben und sogar dem
Himmelblau mehr oder weniger ins Weiß diffundiert. Alles unwirklich
entrückt erscheint. (Vitali: "Das Problem ist nicht, dass ich es zu hell
mache. Das Problem ist, dass die andern es zu dunkel machen." Stimmt. Die
Sonne ist eben keine Energiesparbirne, sondern ein "optischer Aufheller".
Farbbrillant mag ich's trotzdem irgendwie lieber.) Und die meisten
Kirchenväter, die wie so viele Jenseitsspekulanten über Lebensstandard und
Lieblingsbeschäftigungen im Himmel sinnierten, haben ohnedies
festgestellt, dass es dort ein aktives Sozialleben geben wird. Wie gesagt:
Ganz wie bei Vitali. Fast. (Ich räume bloß ein: Wenn Thomas von Aquin
Recht gehabt hat und der Schweiß bei der Auferstehung des Fleisches nicht
wiedererweckt wird, sich die Seligen also nicht selber kühlen können, dann
werden die "verklärten Körper" sich früher oder später über ihre
Sandburgen übergeben und dann gemeinsam mit ihrem Kreislauf über ihren
flüchtigen Strandarchitekturen zusammenbrechen. Die typischen Symptome des
Hitzschlags.) Vitali - ein Ethnologe in den irdischen
Freizeitparadiesen (den ich hiermit als solchen anerkenne und zumindest
für seine Ausdauer lobe). Schließlich stellt er sein Plattenkamera-Ungetüm
nicht einfach nur dort mitten hinein, wo sich die Menschheit an einem Ort
verdichtet, um massiv zu freizeiten (sich etwa auch in Florenz
hineinzwängt fast bis zur Dichte eines Gulaschs), nein, er harrt dabei
geduldig auf einem Hochstand aus, der Stativbeine hat, die auf bis zu
sieben Meter ausziehbar sind. Wie ein Jäger, der das Wild beobachtet. Und
der einen Blick von schräg oben hat wie Hieronymus Bosch im Garten Eden
oder eben in der Hölle. Ach übrigens: Werden die Verworfenen, die ja
nicht ins Himmlische Jerusalem dürfen, nach Florenz müssen, wo alleweil
Touristen-Stoßzeit ist, während die Reiseveranstalter stopfen und stopfen
und schieben und bis in alle Ewigkeit beteuern: "Einer geht noch rein, dem
verkaufen wir gleich eine Pauschalreise"? Bis 25. September im Hilger
Contemporary (Dorotheergasse 5). Siemens artLab: Was, noch immer nicht
ausgestorben? Natürlich frage ich mich: Wozu? Ist das was anderes, als
wenn ein Philatelist völlig tabulos und unzensuriert die Lieblingsstücke
aus seiner Briefmarkensammlung abmalt, sozusagen die meistgeleckten
Bildchen der Welt? Jedenfalls ähnlich nostalgisch ist es (auch in Hinblick
auf den "Warhol-Appeal"), wenn Bernhard Wolf gute, alte LP-Hüllen, Cover
von guten, alten Vinylscheiben, die ja wie die Briefe aus Papier praktisch
schon ausgestorben sind, eins zu eins mit dem Pinsel kopiert. Und soll ich
jetzt die Originalität der Malvorlagen bewerten oder den Arbeitsaufwand
des Kopisten? Wolf: "Es ist für mich einfach Malen nach Zahlen." Ja, genau
das ist es. (artLab, Dorotheergasse Nr. 12, bis 25. September.)
Galerie Contact: Auch Farben werden
wiedergeboren
Ein bissl könnte man ja meinen: Miro wäre als
abstrakter Expressionist reinkarniert und der hätte dann seine fröhliche
Farb- und Buntlust ein klein wenig deprimiert und schwerer gemacht. Die
Galerie Contact (Singerstraße 17) hat noch bis 2. Oktober verhalten
dynamische, sehr kompakt komponierte gestische Bilder des 2001
verstorbenen Walter Eckert hängen. Nicht unangenehm anzusehen.
Erschienen am: 10.09.2004 |
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