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Kunstberichte
Florentina Pakosta im Leopold Museum: Ein Retrospektive des Gesamtwerks bis heute

Bilderkampf der Männerwelt

Florentina 
Pakostas Tricolore-Balkenformation "1994/1", Acryl auf 
Leinwand. Foto: VBK Wien, 2011

Florentina Pakostas Tricolore-Balkenformation "1994/1", Acryl auf Leinwand. Foto: VBK Wien, 2011

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung "Das Wesen der Dinge ist ebenso geheimnisvoll wie die Psyche der Menschen", schreibt Florentina Pakosta; diesem Satz entspricht die Hängung im zentralen Raum des zweiten Untergeschosses des Leopold Museums kongenial. Kurator Franz Smola konfrontiert einen Teil der "Trikoloren Bilder", die das Werk der Künstlerin seit 1989 bestimmen, mit dem grafischen Zyklus "Meine Hände" von 1979 von 1981.

Die großformatigen Kreidezeichnungen mit ihrer Kreuzschraffur und die leuchtenden Kontraste der post-konstruktiven Gemälde in Acryl oder Öl haben eine starke, fast aggressive Wirkung gemeinsam. Die Handgesten vergrößern Kommunikation zu einer Demonstration von Macht – Pakosta hat sich schon vor ihren Kolleginnen Maria Lassnig, Margot Pilz oder Linda Christanell kritisch zur patriarchalischen Gesellschaftsordnung positioniert.

Leonardo da Vincis Idealstudie eines Mannes im Kosmos beraubt sie dann 1980 ihrer Schönheit durch sichtbaren Hodenbruch, schon 1968 wird Rotkäppchen zur Mörderin des Wolfs und in ihren "WC-Studien" werden Sexismen aller Art satirisch entlarvt. Männern wachsen Hundeköpfe oder Fleischwolfmünder, Autos stecken statt Gehirnen in ihren Köpfen, nach fragwürdiger Funktion als Wasserleitungen oder Spülungen rotten sie sich anonym zu "Männergesellschaften" zusammen. Zynisch schreibt Pakosta dazu: "Die Gesellschaft ist eine Männergesellschaft, der auch Frauen beitreten können" und wird sich dem bürgerlichen Diktat nie beugen, lebt selbst in den vielen männlichen Motiven ihrer Kunst die Gleichberechtigung. In den 80er Jahren gelingt ihr der Durchbruch, sie bekommt erste Ausstellungen in Wiener Museen und den Preis der Stadt Wien.

Prater-Studien

1933 in Wien als Tochter eines Journalisten geboren, führten sie Stipendien zuerst zum Grafikstudium nach Prag, dann Paris, das Studium der Malerei an der Wiener Akademie bei Josef Dobrowsky absolvierte sie 1956 bis 1960. Daneben begab sie sich, gelangweilt vom Akademiebetrieb, in männlicher Begleitung in zwielichtige Lokale der Pratergegend, voll von Kleinganoven, Bauarbeitern, Arbeitslosen und Prostituierten, die sie meist unter dem Tisch auch mit Lippenstift kleinformatig porträtierte. Thema und Milieu machen sie zu einer Realistin in Parallelaktion zu den Inhalten der Werke der ab 1960 auftretenden Kollegen Hans Escher, Georg Eisler, Fritz Martinz und Alfred Hrdlicka. Später holte sie Letzterer 1971 als Mitglied in die Secession. Sie ist die erste Frau im Vorstand und kuratiert 1978 eine Schau für Künstlerkolleginnen im Haus. Pakosta las Simone de Beauvoir, begann ihre Beobachtungen auch in Texte zu fassen und zeichneteeine Reihe großformatiger frontaler Männerporträts aus Kultur und Politik, die im großen Saal eine eindrucksvolle Reihe bilden. Dabei Helmut Zilk, Walter Koschatzky, Peter Gorsen, Friedrich Heer oder Otto Breicha – am Ende dazu als Akzent ein monumentales, lachendes Selbstbildnis der Künstlerin.

Kafkaeske Montagen

Schon 1970 hatte sie der Kunstkritiker Breicha auf die Ähnlichkeit ihrer physiognomischen Untersuchungen mit dem spätbarocken Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt aufmerksam gemacht. Deshalb ließ sie auf ihre teils radikal feministischen und teils kafkaesken Montagen von Körpern und Werkzeugen oder Küchengerät eine Serie von 60 Radierungen "Paraphrasen nach F. X. Messerschmidt" folgen. Sie zeichnete aber auch männliche Geschlechtsteile, Nadelklitoris und schockierende Madonnen, die ihre Buben mit Scheren bedrohen. 1989 hat dann der kafkaeske wie der sarkastische Kommentar ein Ende. Die politische Veränderung der Welt lenkt ihren Blick nach "Warenlandschaften" mit Schuhen, Schlüssel oder Farbtuben zu den "Balkenformationen".

Der Übergang zu abstrakt-konstruktiven Trikolore-Kompositionen beendet jegliche Gesichtsbildung. George Orwells "Big Brothers" sind untergegangen oder leben nunmehr in ihren Erzählungen.

Aufzählung Ausstellung

Florentina Pakosta
Franz Smola (Kurator)
Leopold Museum
bis 18. April

 

Printausgabe vom Freitag, 21. Jänner 2011
Online seit: Donnerstag, 20. Jänner 2011 16:47:12

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