Das MAK zeigt die "100 besten Plakate" aus dem
deutschsprachigen Raum
Wenn das Kreuz einen Minarett-Nagel einschlägt
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Direkt im Design, direkt in der Aussage: Das "Minarett-Verbot", gestaltet
von Korbinian Kainz und Arne Fehmel, findet sich unter den "100 besten
Plakaten" im MAK. Foto: Kainz/Fehmel
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
Das große
weiße Kreuz auf rotem Grund wird zum bedrohlichen Hammer für ein
nagelkleines Minarett: Die Designer Korbinian Kainz und Arne Fehmel,
Studenten der Universität der Künste in Berlin in der Designklasse von
Fons Hickmann, gestalteten es als künstlerischen Eigenauftrag – als
eindrückliche Antwort auf ein politisches Plakat einer Rechtspartei, das
die Wahl in der Schweiz tatsächlich mitbestimmte.
Bereits zum fünften Mal präsentiert nun das MAK 100 Plakaten aus dem
deutschsprachigen Raum – als Resultat eines Wettbewerbs mit sichtlich
aus unterschiedlichen Bereichen agierenden Juroren. Diese hatten aus
1600 Einreichungen von Werbeagenturen, Grafikern, Studierenden und
Freischaffenden zu wählen. 65 Gewinner stammen aus Deutschland, 31 aus
der Schweiz – nur vier aus Österreich. Offenbar ist die innovative
Gebrauchs- und Kommunikationsgrafik hierzulande bereits eine Marginalie –
kein Wunder, wurden doch die Grafikklassen an den künstlerischen
Hochschulen abgeschafft. In der kommerzialisierten Branche wirkt hier
fast keine Werbung mehr – im positiven Sinn – plakativ: Auch kürzlich im
Wienwahlkampf hat sich nicht eine Partei auf eine künstlerische
Gestaltung ihrer Plakate eingelassen. Leider.
Heilbare Homophobie und Flugzeug mit Entenfüßen
Als neuen Trend will die Jury bemerkt haben, dass eine Abkehr von
typografischen Experimenten, die uns in einer Art Postminimalismus lange
Jahre beherrschten, in Richtung Bild oder klarer Gestaltungselemente
vor sich ging. Unmittelbarere Kommunikation kann auch eine politischere
Aussage beinhalten – wie das in dem anfangs beschriebenen
"Minarett-Verbot" durchaus der Fall ist. Daneben stehen hier etwa die
Mao-Porträts der Taiwan Poster Design Association ironisch für "Global
Warming", und unter geknüllter Plastikfolie kristallisiert sich Karl
Marx als "Hope" für den gleichen Auftraggeber heraus.
Eine Serie von fünf Plakaten der Hochschule für Grafik und Buchkunst
in Leipzig, in denen provokante Fragen Alltagsgesichter verdecken,
engagiert sich für den Christopher Street Day mit "Homophobie ist
heilbar". Das Designfestival der deutschen Stadt wartet mit einem
Welleneffekt der ewig aktuellen Op-Art auf: Das Bildzeichen eines
Flugzeugs mit Entenfüßen vor apokalyptischem Himmel hat die Aufschrift
"es war nicht alles schlecht im kapitalismus", der Auftraggeber ist die
Bewohnerschaft von Berlin Kreuzberg, Steffen Schuhmann der Designer.
In Luzern haben politische Plakate sogar ein Festival: Sein Titel
"Weltformat" ist mit Blutfarbe und Klebestreifen hinter Glas
geschrieben. Ein weites Feld ist natürlich die Integrations- und
Einwanderungspolitik: Auf Künstlerplakaten macht sie sich mit arabischen
Schriftzügen, aber auch Chiffren und Collagen bemerkbar.
Ansehnlich sind die vielen mit Graffiti oder Kinderzeichnungen
kokettierenden Beispiele, auch die wilden oder bunten Comicgestalten der
60er Jahre feiern ein verdientes Comeback. Ebenfalls auffällig ist
einer der österreichischen Beiträge für die rhiz-bar in Wien. Eva Dranaz
und Jochen Fill ("3007") kündigen die einzelnen Auftritte im Musiklokal
mit einem in alle Einzelteile zerlegten Insekt an. Brutalität wird hier
derart zart akzentuiert, dass aus Tierquälerei ein Bildhaiku wird –
eine Collage der anderen Art.
Brandrede für die Freiheit der Plakatkunst
Mit Lucas Cranachs Adam und Eva auf schwarzem Grund und der blauen
Aufschrift "Kann denn Sünde Liebe sein" bekundet die Museumsinsel Berlin
ein Faible für die Verballhornung. Kurator Peter Klinger ortet in der
Schau poetische Neigungen – während Direktor Peter Noever von
Wildplakatierern, die in Wien mit Restriktionen kämpfen, als den größten
Kuratoren des Stadtraums schwärmt. Freies Plakatieren, betont Noever,
sei ein wesentlicher Faktor in der Geschichte dieser Kunstform. Beim
Plakat handelt es sich für ihn um ein direktes, heißes und nicht
notwendigerweise kommerzielles Medium, das nicht durch Monopolisierung
und Beschneidung der möglichen Flächen beschränkt werden dürfe.
Nach solchen Brandreden prangt nun im MAK nicht zuletzt auch ein
Plakat der "Bremer Stadtmusikanten": ein Tierquartett-Turm bei
Dunkelheit, mitten auf einer Straße im Scheinwerferlicht. Womöglich geht
es ja auch bei diesen Tieren nicht mehr um Ästhetik, sondern Ethik.
Ausstellung
100 Beste Plakate 09
Peter Klinger (Kurator)
Museum
für angewandte Kunst
Bis 9. Jänner
Printausgabe vom Mittwoch, 24.
November 2010
Online seit: Dienstag, 23. November 2010 16:40:00
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