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"Wege der Moderne": Finger weg von Kunstals Anlage

06.11.2008 | 18:47 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Ausstellung „Wege der Moderne“ mit Werken von Picasso, Chagall oder Giacometti aus der Sammlung des Schweizer Galeristen Eberhard W. Kornfeld.

Der Kanon der Moderne steht fest. Die Werke sind allenthalben präsent. Was bleibt, sind die Geschichten rund um die Großen, von Giacomettis dominanter Mutter über Picassos Hofstaat bis zum tragischen Leben Ernst Ludwig Kirchners (1880–1938): Von Depressionen und Alkohol zerrüttet, seines wichtigsten Marktes in Deutschland von den Nationalsozialisten beraubt, brachte er sich in Davos um. Vielleicht war es aber auch der Morphiumentzug.

Der Kirchner-Raum mit seinen bizarren Verzerrungen und Kontrasten, hier Liebe, dort Tänzerin, da Idylle – dazwischen die Möbelkreationen des Künstlers – ist der spannendste in der neuesten Albertina-Ausstellung „Wege der Moderne“. Zu sehen sind Werke aus der Sammlung des Schweizer Galeristen Eberhard W. Kornfeld. Das von Deutschland nach Bern übersiedelte Unternehmen, früher Gutekunst und Klipstein, besteht seit 1864. Sechs Generationen erhielten den ehrwürdigen Kunsthandel, bei dem z. B. der Sammler und Albertina-Leihgeber Herbert Batliner Stammkunde ist.

Keine Angst vor Kunstmarktabsturz

Von ihm sind ebenfalls Bilder in der Albertina-Schau zu sehen. Kornfeld, der heuer seinen 85. Geburtstag feierte, erwarb nicht nur die Kirchner-Häuser in Davos und war maßgeblich am Aufbau des dortigen Kirchner-Museums beteiligt, er kannte auch Giacometti, Chagall, Picasso oder den Amerikaner Sam Francis; Letzterer musste nach einer Notlandung mit seinem Kampfflieger zwei Jahre im Spital auf dem Bauch liegen. Er begann zu malen. Seine heiter anmutenden Farbblasen erfreuen den Betrachter am Eingang zur Schau – vor allem im Kontrast zu den düsteren Grotesken eines George Grosz. Die Ausstellung zeigt ferner Arbeiten von Paul Klee, wilde erotische Fantasien von Klimt, die in weltfremdem Gegensatz zu den tieftragischen Frauenbildern von Käthe Kollwitz stehen – oder Fernand Légers Ansichten einer Welt voller mechanischer Fragmente. Diese bilden wiederum den Kontrast zu Chagalls Märchen ...

Die Kombination von Kunsthändler, Sammler, Wissenschaftler – Kornfeld war einst auch in der Albertina tätig – auf einem reichen materiellen Boden wie der Schweiz erscheint nahezu ideal. Man fragt sich allerdings, ob die Versuchung, die besten Sachen für sich zu behalten, nicht ab einem gewissen Finanzstatus allgegenwärtig ist. Kornfeld, von Albertina-Direktor Klaus A. Schröder über den grünen Klee gelobt, wiewohl bislang keine Schenkung in Aussicht ist, plaudert schnörkellos-spannend über seine Begegnungen mit Künstlern. Er versteht im „Presse“-Gespräch aber auch sonst, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Restitution? Kornfeld erwarb, wie er sagt, ohne es zu wissen, die Sammlung des im KZ umgekommenen Kabarettisten Fritz Grünbaum. Er ist für Fristen für die Anmeldung von Ansprüchen: „Im Zweiten Weltkrieg ist derartig viel Unheil passiert, diese Fälle heute herauszupicken und zu versuchen, sie zu korrigieren, das finde ich fehl am Platze.“ Die Kunst und die Finanzkrise? – Kornfeld: „Ich habe in meinem Leben so viele verschiedene Ups and Downs erlebt. Die Erfahrung ist die, nach jedem Down kommt wieder ein Up. Das kümmert mich nicht groß, obwohl man es im Moment natürlich spürt. Aber es sind genügend Reserven da, um zu überwintern.“ Ist Kunst als Anlage in unsicheren Zeiten zu empfehlen? – Kornfeld: „Wenn einer mit Begeisterung Kunst kauft und die richtigen Dinge, dann stellt sich der finanzielle Erfolg ein. Wenn er nur aus Anlageüberlegungen Kunst kauft, geht es meist schief.“


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