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09.03.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kritik Ausstellung: Gewinnen mit dem Störfaktor
VON ALMUTH SPIEGLER
"Just do it" im Lentos-Museum Linz: subversive künstlerische Strategien in der Logo-World.

Störung. Hunderte türkische Flaggen verhüllen die Wiener Kunsthalle. Zeigen sie als aggressive Mega-Werbefläche . . . - Eine Autofirma hat schon einmal den Platz im Museumsquartier gemietet. Versicherungen und Banken plakatieren auf eingerüsteten Museen und Kathedralen. Sponsoren reklamieren ihre Namen in die von Konzertsälen und Kunstpreisen. Und das regt schon lange niemanden mehr auf. Geld gegen Image, lautet das Geschäft. Die dadurch immer stärkere Privatisierung des öffentlichen Raumes steht nicht einmal im Kleingedruckten.

Da schien es im Oktober 2003 nicht einmal mehr so undenkbar, dass eine Sportartikelfirma den Wiener Karlsplatz zum "Nike Platz" umbenennen lässt. Gutes Marketing? Nein. Bessere Kunst. Das ganze Gerücht war ein Fake der aktivistischen Künstlergruppe 010010111010101.ORG und des Medieninstituts Public Netbase. Nike klagte. Und verlor. Einer von mehreren verlorenen Prozessen, auf die man zurzeit in der Ausstellung "Just do it!" im Lentos stößt - mit seiner bügelartigen Architektur bereits selbst imageträchtiges Markenzeichen von Linz.

Mehrere Gerichtsverfahren etwa provozierte die "vote-auction" der Künstlergruppe "ubermorgen", die im Jahr 2000 vor der US-Präsidentenwahl zum Verkauf von Wählerstimmen aufrief. Zwei Jahre später klagte die Lufthansa die Künstlerin Silke Wagner, die mit einem VW-Bus mit der Aufschrift "Lufttransa Deportation Class" durch die Städte zog, um über die Abschiebepraxis der deutschen Regierung aufzuklären. Um Aufklären, um Sichtbarmachen und nicht zuletzt um den (hintergründigen) Spaß daran geht es solchen künstlerischen Aktionen. Darum, ein Stückchen Realität hervorzuzerren, das hinter unserer von Werbung und Medien soft gehaltenen Wahrnehmung verborgen liegt.

In der bereits im Titel einen Nike-Werbespruch annektierenden Linzer Schau mischen Thomas Edlinger, Raimar Stange und Florian Waldvogel über 50 Einzelstatements zu einer historisch fundierten Kunstströmung: "Culture Jamming". Erstmals 1984 von der Band "Negativland" verwendet und 1993 in einem Manifest von Mark Dery theoretisch ausgeführt, hieß "Jamming" ursprünglich die Praxis einiger Freaks, mit teils obszönen Kommentaren bei Radiosendungen dazwischen zu funken. Für "Culture Jamming" dagegen ist die ganze Welt ein Radiostudio, irritiert werden soll der Empfang der Botschaften von Wirtschaft, Medien, Politik, Institutionen.

Dada wollte das schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Marcel Duchamp malte der Kunst-Ikone schlechthin, der Mona Lisa, 1919 ein Bärtchen. Karikaturist John Heartfield montierte Mitte der 30er Jahre krumme Christbaumzweige zu laschen Hakenkreuzen. Andy Warhol kopierte schonungslos affirmativ die Brillo-Boxen. Peter Weibel machte in den frühen 70ern mit vorgehaltenem Zettelchen aus Rechtsanwalt die "Rechtsgewalt". Barbara Kruger dichtete 1987 Descartes zu "I shop therefore I am" um und druckte das auf Taschen des New Yorker Whitney-Museums. Und Olaf Nicolai bläst im neuen Jahrtausend einen Nike-Sneaker zum monströsen Über-Symbol auf - das Logo, der "Swoosh", als hohles Versprechen für Jugend und Freiheit.

Florian Waldvogel: ",Culture Jamming' ist für unsere Zeit das, was die Bürgerrechtsbewegung für die 1960er, der Feminismus für die 1970er und die Umweltschutzbewegung für die 1980er Jahre bedeuteten." Sehr schön. Da gäbe es dann nur noch ein Problem: In den Marketing-Zentralen sitzen heute die gleichen, wenn nicht gar die besseren "Culture Jammer". Diese Technik ist Karriere-Voraussetzung. Vielleicht war die institutionell anerkannte Kunst noch nie so zeitgenössisch wie jetzt. Ein Ausweg scheint ins Insiderische, ins Undurchdringliche der Internet-Subkultur zu führen, wie auch der letzte Raum der Schau zeigt, wo der "Bastard-Pop" herrscht und ein fiktiver "State of Sabotage".

Bis 6. Juni. Geöffnet täglich außer Dienstag: 10-18 Uhr, Do. 10-22 Uhr.

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