Salzburger Nachrichten am 11. Jänner 2006 - Bereich: Kultur
Kuchen, Keks und Kunst

HEDWIG KAINBERGER

Nein, das ist kein Kulturbericht! So lautete die abschmetternde Antwort der Kollegen in der SN-Kulturredaktion auf die Anregung, von der Ausstellung "Geometrische Gelees und kubistische Kuchen" im Leopold-Museum in Wien ein Bild oder einen Bericht zu bringen. Nein, hieß es unisono. Kuchenformen hätten nichts mit Kunst zu tun. Kuchen sei Hausfrauen- oder -männersache, sonst nichts.

Das ästhetische Niveau von Kuchen und Keksen sei ähnlich niedrig wie das philosophische von Küchentratsch. Kunst müsse in Frage stellen, Kunst müsse neu sein, Kunst müsse aufregen, Kunst müsse die Sinne des Schauens, Hörens und Fühlens und insbesondere das Denken und Zweifelns anregen. Das alles könne Kuchen nicht! Und überhaupt: Man müsse doch nicht über alles und mit allem eine Ausstellung machen!

D erart allein gelassen flüchten wir uns unter die Fittiche des Pegasus. Trotzig halten wir zu Joseph Beuys' Satz: "Jeder Mensch ist Künstler." Anders gesagt: In jedem steckt schöpferische Kraft und die Fähigkeit, Originäres, Neues und somit Kunst - sei's auch nur in Rudimenten - zu schaffen.

Und warum könnte dies nicht in der Küche zur Geltung kommen? Da sind Menschen - wenigstens begeisterte Köche - ungezwungen mit Formen und Farben, mit Modellieren und Improvisieren beschäftigt.

Ja, ja, meistens sind - wie soeben aufs Neue erfahren - Kekse so fad wie immer geformt. Immer wieder verrinnt die Schokoladeglasur auf zerflossenem Spritzteig so grauslig, dass man gar nicht hinschauen mag. Oft wird Essen unachtsam und irgendwie auf Teller geknallt. Und Spiegeleier mit Erbsenaugen und Karottennase, das ist Kinderkitsch.

Doch einmal haben die Geometrie eines gedeckten Tisches und die scheinbar lässig verteilten kleinen, bunten Dekors ein Staunen entlockt. Manchmal faszinieren Farben und Formen auf einem Teller anders, als es allein der Duft des Essens je könnte. Und warum wäre für solche ungewöhnliche Gestaltung eine Metallform unflätig, wenn auch die technische Reproduzierbarkeit einer CD oder einer Druckgrafik nicht den Status von "Kunst" nimmt?

E in bisschen komisch ist es schon im Ausstellungssaal im Keller des Leopold-Museums. Einst Gebrauchsgegenstand mit charmanter Patina ist nun hoch poliert, in Glaskästen eingesperrt, entrückt und unangreifbar als wären's Kronen und Reichsäpfel. Trotzdem packt einen die Fantasie: Wie wär's mit einer spinatgrünen, zittrigen Gelatine mit Zinnen?