Von der Fremdheit des Verwandten

Die Wiener Secession zeichnet in ihrer Ausstellung "Fate of Alien Modes" die wechselnden Verhältnisse von bildender Kunst und Film nach.


Die großangelegte Schau des Wiener Ausstellungshauses bewegt sich auf dünnem Terrain. Es handelt sich dabei um jenes Schnittsegment, das übrig bleibt, wenn man die Kreise "Bildende Kunst" und "Film" übereinander legt.

Dabei geht es weniger um stilistische Filmzitate in der bildenden Kunst, wie sie von Paul McCarthy oder Shirin Neshat verwendet wurden, sondern um ein gleichwertiges Ranking von Produktionsformen und -formaten.

Filmsets

Über alle Räumlichkeiten - Grafisches Kabinett, Hauptraum, Galerie und Beethovenfries - erstreckt sich die Thematik, die wie ein Film durch das Haus wogt: Künstlerisch paraphrasiertes Skript, Ausstattung, Ton und Produktion werden auf den verschiedensten Ausstellungsflächen dokumentiert.

Material

Morgan Fisher zeigt in der Galerie zwei Filme, die unter dem Titel "Standard Gauge" ("Normmaß") laufen. Dabei sammelte er während seiner Beschäftigung in der amerikanischen Filmindustrie weggeworfene Kader auf 35 mm Film und filmte sie auf 16mm-Material ab. Während sich Kader an Kader reiht, erläutert seine Stimme das Gefundene.

"Standard Gauge", Morgan Fisher

Diese reziproke Arbeitsweise, die das Normmaß eines Spielfilms von 35mm verlässt und sich des älteren Maßes von 16mm bedient, ist quasi eine rückwärtsgewandte Ökonomie.

Referentielles

Im Gang Richtung Hauptraum stellt Fisher kleine Grafiken, die "Photogentic Drawings" aus, die aus Werbeanzeigen aus dem "US Camera Annual" der frühen 50er Jahre abgepaust sind. Damit nimmt Fisher auf Henry Fox Talbot im England der 1830er Jahre Bezug, der eine Variante der Fotografie erfand, wo die von einer Camera lucida entstandenen Projektionen mittels Bleistift auf Papier nachgezeichnet wurden.

Ton und Performance

Den Hauptraum der Secession dominiert eine riesige Projektionslampe der Architektin Angela Hareiter. In den 70er Jahren zu der Gruppe "Missing Link" zugehörig, entwarf sie für die griechisch-österreichische Künstlerin und Filmemacherin Penelope Georgiou eine riesige rotierende schwarze Scheibe.

Hauptraum
Hauptraum

Wie ein überdimensionierter Plattenspieler gestaltet, stellt sie eine Bühne für Georgiou dar, die am 5. Juni in der Secession eine Performance veranstaltet, die filmisch festgehalten wird. Der Drehtag wird öffentlich sein.

Zoetrop

Die Bühne - oder der Plattenspieler - erinnert mit seinen Schlitzen am Rand auch an ein Zoetrop. Zoetrop war eine Trommel aus vorkinematischer Zeit, hinter deren Schlitzen sich Bilder befanden, die durch Drehung der Trommel die Illusion eines bewegten Bildes suggerierten.

Das Projekt "Ruta"

Eine der interessantesten Arbeiten ist die des litauischen Teams Nomeda und Gediminas Urbanos, die auch auf der documenta11 vertreten waren. In ihrer interaktiven Soundarbeit "Ruta" kann man durch händische Berühungen auf einem Tisch Frauenstimmen aus den Medien Litauens erzeugen. In ihrer grafischen Arbeit zeichnen sie die Blattstruktur der Pflanze Ruta nach, die in Litauen auch als Abtreibungsmittel bekannt ist.

Filme und Gespräche

In Kooperation mit dem Filmmuseum werden am 10. und 11. Mai fünf Filme von Noel Burch, Derek Jarman und Nagisa Ohisma gezeigt. Am 1. Juni sind Filme von Ulrike Ottinger, Morgan Fisher, Shirley Clarke und Isaac Julien zu sehen. Außerdem finden im Museum zwei Gespräche mit Noel Bruch und Isaac Julien statt. Geführt werden sie von der Kuratorin Constanze Ruhm.

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