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03.12.2001 - Ausstellung
Totentanz, Mütter, Kriegsfrauen
Albin Egger-Lienz (1868 bis 1926) gilt ein Werküberblick in Tulln.
VON KRISTIAN SOTRIFFER


Möglich, daß eine jüngere, unbelastete Generation dem Phänomen Egger-Lienz allmählich mehr abzugewinnen versteht als die Traditionalisten, die den Maler gern für sich in Anspruch nehmen. Diesen scheinen ja auch jene entgegenzukommen, die für ihre Ausstellung in Tulln mit einer Variante des "Mähers" werben. Im übrigen jedoch einen beachtenswerten Werküberblick zustande brachten.

Eben ist Egger-Lienz ja wieder im Zusammenhang mit Restitutionsforderungen ins Gerede kommen. Der Nazi-Ideologie paßte vor allem ins Konzept, was als Egger-Lienz-Klischee gilt - der "Bauernmaler" also. Was die hemmungslos requirierenden "Blut-und-Boden"-Vertreter an sich brachten, konnte aber bereits 1977 nachgeprüft werden. Damals erschien das monumentale Werkverzeichnis von Wilfried Kirschl mit entsprechenden Angaben zur Provenienz.

Zugleich erfolgte auch eine Neueinschätzung, die eben nicht die Lieblingsmotive des "Heimatmalers" betonte, der gesagt hatte, daß "alle echte Kunst" "Heimatkunst" sei. Egger-Lienz' Bedeutung liegt ja vor allem in den Kriegsbildern und den Landschaftsbildern mit ihrer Architektur. Eben darauf legt man in Tulln einen Hauptakzent. Im Mittelpunkt stehen die "Missa eroica" und das "Den Namenlosen 1914" gewidmete Werk, gemeinsam mit "Finale" und den "Kriegsfrauen", alles zwischen 1916 und 1922 entstanden, schließlich die "Mütter".

Was in diesen späten, den "Totentanz von Anno Neun" (1906/07); vertreten in zwei von sechs Fassungen) weit übertreffenden Werken zum Ausdruck kommt, ist das Gegenteil einer Heroisierung des Krieges und enthält eine stark religiöse Komponente. Sie allein habe ihn vor "Manier und Decadenz" bewahrt, sagte er. Das "Naive" im Sinn des Unmittelbaren betrachtete er als die "wahre Kunst", alles andere verfüge über "keine wahre Seele". Ähnlich argumentierte er, dessen von Defregger geprägte Anfänge im "Kreuz" (1898/1900) gipfelten, wenn er von der "Natur" sprach. Schon früh forderte er von sich selbst, die eigene Form aus ihrer Organik heraus zu entwickeln.

In gewisser Hinsicht malte Egger-Lienz Manifeste im Bestreben, "außerhalb des Rummels, wie ein Sein für sich" zu agieren. Dieses "Sein" artikuliert sich vor seinen Landschaftsträume aufschließenden Werken. Die frühesten unter den in Tulln gezeigten Bilder dieser Art sind "Das Meer" und "Virgil" (1913). Zu sehen sind auch die zweite Fassung von "Vorfrühling" (1917), der "Sonnenaufgang auf der Mendel" (1919) und vor allem "Sigmundskron" - lauter in Südtirol geschaffene Werke.

Auch der "Pflüger" (1920) zählt zur den zentralen unter diesen dem Zeitgeist trotzenden Werken. Egger-Lienz folgte mit ihnen seinem eigenen, aller "Stilkunst" entgegengesetzten Impuls. Von "Kunst aus Kunst" hielt er nichts, die erzeuge nur "Fascination und Luxus". Auch im Zusammenhang mit dem endlich zugänglichen Egger-Lienz-Block im Leopold-Museum läßt die Tullner Schau jenen Impetus erkennen, aus dem heraus dieser lange Zeit fehlinterpretierte Künstler arbeitete.

Bis 1. April, täglich 10 bis 19 Uhr.



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