Möglich, daß eine jüngere, unbelastete Generation dem
Phänomen Egger-Lienz allmählich mehr abzugewinnen versteht als die
Traditionalisten, die den Maler gern für sich in Anspruch nehmen. Diesen
scheinen ja auch jene entgegenzukommen, die für ihre Ausstellung in Tulln
mit einer Variante des "Mähers" werben. Im übrigen jedoch einen
beachtenswerten Werküberblick zustande brachten.
Eben ist Egger-Lienz ja wieder im Zusammenhang mit
Restitutionsforderungen ins Gerede kommen. Der Nazi-Ideologie paßte vor
allem ins Konzept, was als Egger-Lienz-Klischee gilt - der "Bauernmaler"
also. Was die hemmungslos requirierenden "Blut-und-Boden"-Vertreter an
sich brachten, konnte aber bereits 1977 nachgeprüft werden. Damals
erschien das monumentale Werkverzeichnis von Wilfried Kirschl mit
entsprechenden Angaben zur Provenienz.
Zugleich erfolgte auch eine Neueinschätzung, die eben
nicht die Lieblingsmotive des "Heimatmalers" betonte, der gesagt hatte,
daß "alle echte Kunst" "Heimatkunst" sei. Egger-Lienz' Bedeutung liegt ja
vor allem in den Kriegsbildern und den Landschaftsbildern mit ihrer
Architektur. Eben darauf legt man in Tulln einen Hauptakzent. Im
Mittelpunkt stehen die "Missa eroica" und das "Den Namenlosen 1914"
gewidmete Werk, gemeinsam mit "Finale" und den "Kriegsfrauen", alles
zwischen 1916 und 1922 entstanden, schließlich die "Mütter".
Was in diesen späten, den "Totentanz von Anno Neun"
(1906/07); vertreten in zwei von sechs Fassungen) weit übertreffenden
Werken zum Ausdruck kommt, ist das Gegenteil einer Heroisierung des
Krieges und enthält eine stark religiöse Komponente. Sie allein habe ihn
vor "Manier und Decadenz" bewahrt, sagte er. Das "Naive" im Sinn des
Unmittelbaren betrachtete er als die "wahre Kunst", alles andere verfüge
über "keine wahre Seele". Ähnlich argumentierte er, dessen von Defregger
geprägte Anfänge im "Kreuz" (1898/1900) gipfelten, wenn er von der "Natur"
sprach. Schon früh forderte er von sich selbst, die eigene Form aus ihrer
Organik heraus zu entwickeln.
In gewisser Hinsicht malte Egger-Lienz Manifeste im
Bestreben, "außerhalb des Rummels, wie ein Sein für sich" zu agieren.
Dieses "Sein" artikuliert sich vor seinen Landschaftsträume
aufschließenden Werken. Die frühesten unter den in Tulln gezeigten Bilder
dieser Art sind "Das Meer" und "Virgil" (1913). Zu sehen sind auch die
zweite Fassung von "Vorfrühling" (1917), der "Sonnenaufgang auf der
Mendel" (1919) und vor allem "Sigmundskron" - lauter in Südtirol
geschaffene Werke.
Auch der "Pflüger" (1920) zählt zur den zentralen unter
diesen dem Zeitgeist trotzenden Werken. Egger-Lienz folgte mit ihnen
seinem eigenen, aller "Stilkunst" entgegengesetzten Impuls. Von "Kunst aus
Kunst" hielt er nichts, die erzeuge nur "Fascination und Luxus". Auch im
Zusammenhang mit dem endlich zugänglichen Egger-Lienz-Block im
Leopold-Museum läßt die Tullner Schau jenen Impetus erkennen, aus dem
heraus dieser lange Zeit fehlinterpretierte Künstler arbeitete.
Bis 1. April, täglich 10 bis 19 Uhr.
© Die Presse
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