DiePresse.com | Kultur | Bühne | Artikel DruckenArtikel drucken


Mickey und der große Masturbator

28.02.2011 | 18:20 | von Norbert mayer (Die Presse)

Zur Uraufführung der "Needcompany" im Akademietheater liefert der Regisseur Jan Lauwers eine Ausstellung: "The Entertainer's Private Room". 18 Artefakte, die von 2007 bis 2011 entstanden sind, sind zu sehen.

Zuweilen klagen Theaterleute über die Vergänglichkeit ihrer Kunst. Mit Ende der Aufführung verschwindet ein Gutteil ihrer Aura. Die Erinnerung an einen unterhaltsamen Abend verblasst. Oder es entsteht etwas im Kopf des Betrachters, das die Eindrücke neu verarbeitet. Das wird wohl die gute, wahre, schöne Kunst sein.

Beim belgischen Theatermacher Jan Lauwers (*1957), der in seiner Heimat auch ein angesehener Maler ist, gilt die Vergänglichkeit auch für einen Teil seines bildnerischen Werkes. In der Charim Galerie in Wien (Dorotheergasse 12) sind 18 Artefakte zu sehen, die von 2007 bis 2011 in seiner Brüsseler Wohnung entstanden sind, zum Teil, während er an seinem jüngsten Stück arbeitete, das diesen Samstag im Akademietheater uraufgeführt wird: „The Art of Entertainment“. Er malte Bilder an die Wände, fotografierte sie mit einer Polaroidkamera, um dann das Original wieder weiß zu übertünchen und Neues zu malen. Die Abzüge sind also Blitzlichter der Erinnerung an eine spezifische Schaffensperiode.

Lauwers' Zimmer ist Schicht für Schicht ein Kunstwerk, die Schau „The Entertainer's Private Room“ (Vernissage heute, 1.März) damit auch eine Archäologie seiner Kunst, wenn sie neben einigen Skulpturen diese Polaroids in großformatigen Reproduktionen zeigt. Sie heißen „hendrix' guitar“, „god“, „the great masturbator“ oder zum Beispiel auch „mickey mouse“. Die ist schemenhaft in einem Blow-up zu erkennen. Diese spontan wirkenden Surrealismen sind durch die Vergrößerung grob, aber auch verfremdet. Aufwändiger gemacht ist ein Leuchtkasten mit dem aufklärenden Titel „Little girl with little hand in a little deer's ass“ zu einer opulenten, obszönen Collage.

 

Zwischen Disney und Duchamp

Zur Mickey Mouse gab der Künstler bei einem Pressegespräch am Montag eine Andeutung, die auch als Schlüssel für sein Werk gesehen werden kann. Walt Disneys Figuren und Marcel Duchamps Konzeptkunst sind für ihn entscheidend für die Entwicklung der Kunst im vorigen Jahrhundert, er spielt sie gegeneinander aus. Wenn man heute die Lehmbüste eines Gorillas sehe, denke man automatisch an „King Kong“. Der Kopf in „the entertainer's private room“, der größten Skulptur dieser Schau, lässt tatsächlich diese Assoziation zu. Er dominiert eine Gruppe aus gemischten Materialien, die auch Lampenschirm, Holzsäule, Hocker, Tisch und ein Metallgestänge vorweist.

Lauwers sieht die Kunstszene insgesamt recht negativ, zu kapitalistisch sei der dominante Kunstmarkt (seine Arbeiten hier kosten 1500 bis 18.000 Euro). „Der größte Fehler der Künstler im 20. Jahrhundert war, die Öffentlichkeit zu vergessen“, sagt Lauwers, der zugleich das Theater für ein Medium der Zukunft hält: „In ihm kommen wir sehr weit bei der Diskussion über die Freiheit.“

Dazu ist am Samstag bei der Premiere von „Die Kunst der Unterhaltung“ Gelegenheit. Seit Kurzem steht auch der Untertitel des Schauspiels fest, das Lauwers als „Artist in residence“ des Burgtheaters produziert: „Needcompany spielt den Tod von Michael König“. Die Genese war dramatisch genug. Erst war Martin Wuttke für die Hauptrolle vorgesehen, doch der lehnte ab, als er den Text las. Er war ihm kurz nach dem Tod des befreundeten Regisseurs Christoph Schlingensief zu schwarz. Dann erkrankte Ersatzmann Otto Sander schwer. Dessen Nachfolger Paulus Manker schied jüngst im Streit.

„Die ersten zwei Wochen Probe in Brüssel waren sehr gut, dann war die Hölle los“, sagt Lauwers, „Manker wollte seine Rolle auch englisch und französisch spielen. Das ist absolut lächerlich.“ Nun treten König und Sylvie Rohrer auf. „Sie sind fantastisch“, sagt Lauwers. Er verspricht einen kulturellen Zusammenstoß zwischen Needcompany und Burgtheater, zwischen radikaler Dekonstruktion und perfekter Rekonstruktion. Und einen Blick in die Zukunft des Theaters.


© DiePresse.com