Wenn die Welt auch schon in Trümmern liegt, der Fernseher läuft weiter - wie hier am Set von Draeger und Reynolds.
Graz - Zwei Frauen haben gerade eine sehr emotionale Aussprache auf Spanisch. Tränen stehen der einen in den Augen, bei der anderen fließen sie schon. Während der gesamten Filmszene ist am oberen Bildrand "Opća Opasnost Zagreb" zu lesen. Das heißt "Generalalarm Zagreb" und sollte die Zuseher einer im kroatischen Nationalfernsehen laufenden Soap - dezent, aber nachdrücklich - informieren, dass Zagreb gerade das Ziel von Raketenangriffen war.
Die Arbeit Generalalarm Seifenoper der Zagreber Künstlerin Sanja Iveković aus dem Jahr 1995 zeigt diese - aus heutiger Sicht - absurde Situation, wo Realität und Fiktion in der Ausstrahlung einer Sendung kollidieren. Sie ist eines von elf Statements in der von Sandro Droschl kuratierten und sehr gelungenen Ausstellung Verbotene Liebe - Kunst im Sog von Fernsehen, die der Medienturm im Steirischen Herbst zeigt.
Ein Meisterwerk ist auch die Arbeit CNN Concatenated des in Jerusalem geborenen Berliners Omer Fast. Er legte einen Text über Nachrichten, Journalismus und die künstliche Nähe zwischen Sender und Empfänger amerikanischen Nachrichtensprechern in den Mund. Jedes Wort in dem schnell geschnittenen Video wird von wechselnden Menschen gesprochen. Hunderte Sendungen wurden montiert, um ein 18-minütiges Gedicht zu schaffen, das am Ende persönlich wird: "It's funny to say this, but I feel more alone in your company now than ever before."
Ein skurriles Spiel mit Nachrichtensprechern und deren Konsumenten ist auch Christoph Draegers und Reynold Reynolds Apocalypso Place. Das Duo aus Berlin und New York brachte ein ganzes Wohnzimmer nach Graz, das von einer Katastrophe in Mitleidenschaft gezogen wurde. Auf der Couch kann man den fiktiven News zum Weltuntergang zusehen, wo immer noch Zeit für kleine Werbefilmchen bleibt. Der Raum geht gleichsam in eine Leinwand und ein noch viel kaputteres Wohnzimmer über, wo eine Familie schon Beobachterin und Akteurin der Katastrophe wurde.
Das Leben, von Iggy erklärt
Sehr poetisch sind die aus einer polnischen Fernsehserie aus den 70er-Jahren und westlichen Filmen geschnittenen Videos von Zuzanna Janin. Sie spielte selbst als Mädchen in der Serie und lässt die Geschichte eines Teenagers nun von ihrer Tochter erzählen. Dieser erklären etwa Iggy Pop und Slavoj Žižek das Leben. Gleich nebenan laufen Arbeiten von Heimo Zobernig, der etwa den Himmel über dem Prater zur Blue Box machte oder durch Chicago irrt.
Die Schau ist der erste Teil einer Kooperation mit dem Kölnischen Kunstverein mit insgesamt 25 Künstlern und läuft in Graz bis 27. 11., in Köln bis 19. 12. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 1. Oktober 2010)
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