26. Juni 2010 - 00:04 Uhr · Von Alexander Ritzinger · Kultur

Winfried Wünsch: Ein Galerist aus Leidenschaft

Ein Galerist aus Leidenschaft
Der umtriebige Linzer Galerist Winfried Wünsch, Jahrgang 1952, gilt als Spezialist für zeitgenössische lateinamerikanische, und hier vor allem für kubanische Kunst. Außerdem ist er ein Kritiker des mit Landesmitteln geförderten bildnerischen Kulturbetriebes.

OÖN: Sie waren kürzlich auf der „Pinta“ in London zu Gast. Die Pinta ist eine renommierte Messe für moderne, zeitgenössische lateinamerikanische Kunst. Wie kamen Sie als Linzer Galerist zu dieser Ehre?

Wünsch: Nun, ich beschäftige mich bereits seit rund 20 Jahren mit zeitgenössischer lateinamerikanischer, speziell kubanischer Kunst. Die Einladung zur Pinta habe ich einem guten Netzwerk zu verdanken. Diese Kontakte konnte ich in London weiter ausbauen. Es war mir schon immer ein großes Anliegen mit Repräsentanten der weltberühmten Galerien Tate Modern beziehungsweise Tate britain und bedeutenden Sammlern internationaler zeitgenössischer Kunst sprechen zu können.

OÖN: Wie sind sie nach Kuba und vor allem zur Kunst gekommen?

Wünsch: Auf meiner ersten Urlaubsreise nach Kuba hatte ich das Glück, zwei in der Kunstszene bestens bekannte deutsche Sammler als Sitznachbarn zu haben. Die Stimmung war ausgezeichnet, über Kunst wurde nicht gesprochen, Ich kannte die beiden zunächst ja nicht. Auf dem Flughafen erwartete die beiden Herren dann der kubanische Kulturminister, ich wurde als Mitglied der deutschen Delegation vorgestellt. Wie sich herausstellte, ging es um die Gründung einer internationalen Kulturstiftung.

OÖN: Aber deshalb wird doch nicht jeder Galerist.

Wünsch: Nun ja, es gab bereits einen erhellten Raum, und nun wurden Schweinwerfer dazu- geschaltet. In der Folge baute ich die Kontakte zu kubanischen Künstlern aus und gründete 1992 eine Galerie in Köln.

OÖN: Hatten Sie auch Kontakte zu den sogenannten „Polit-Künstlern“?

Wünsch: Ja, wenn Sie damit jene meinen, die den jeweils Herrschenden zu Diensten sind, oder wie in Kuba zusätzlich an Informationsknappheit leiden. Ich sehe übrigens keinen Unterschied zu Künstlern, die in sogenannten Demokratien arbeiten, denn jeder entscheidet für sich über seine Kunst.

OÖN: Aber Kuba ist eine Diktatur?

Wünsch: Selbstverständlich, viele haben bereits das Land verlassen. Andere bleiben, ich spreche von Künstlern, die bleiben und die unausbleiblichen Änderungen herbeiführen werden.

OÖN: Aber die Touristen sind ganz begeistert von Kuba …

Wünsch: Natürlich, für Touristen ist es ja auch wunderschön Aber wenn jemand sagt, er möchte dort ständig leben, bekommt er oft zur Antwort: „Sehr gut, tauschen wir. Sie bleiben hier und ich ziehe sofort in ihre Heimat!“ Für mich ist es erschreckend, dass unsere „Intelligenz“ große Sympathie für die Diktatur empfindet. Das ist aber bei genauerer Hinsicht wegen der bestehenden Ähnlichkeiten verständlich.

OÖN: Zurück zur Kunst. Sie waren Galerist in Köln, auch in Brüssel, seit 2004 sind sie in Linz. Haben Sie die Rückkehr in ihre Heimatstadt bereut?

WüNSCH: Meine Heimat ist überall, das passt doch zur Kunst.

OÖN: Warum sind Sie in den Kunstbetrieb eingestiegen? Sie kommen beruflich gesehen ja aus einem völlig anderen Eck. Sie waren erfolgreicher Exportkaufmann, ging es Ihnen also ums Geld?

Wünsch: Der Gedanke der Geldanlage und damit der Vermehrung des eingesetzten Kapitals war sicher mit ein Antrieb. Aber würde man betriebswirtschaftliche Aspekte außer Acht lassen, könnte man als Galerist niemals 20 Jahre überstehen. Ich habe den Großteil meines verfügbaren Geldes in Kunst investiert und anfangs dabei folgende Empfehlung befolgt. „Kaufe, was dir nicht gefällt!“

OÖN: Sehen Sie sich selbst als Künstler?

Wünsch: Nein. Nur im Vergleich, ja.

OÖN: Wie meinen Sie das?

Wünsch: Sehr oft fehlen bei den Künstlern Ecken und Kanten. Der gesellschaftliche Fortschritt wurde immer besonders von Außenseitern geprägt. Die Vereinnahmung durch die Gesellschaft, die Angepasstheit, die lähmt die Kreativität. Ein richtiger Künstler muss sich auch außerhalb der Gesellschaft bewegen. Nur so kann er ihr einen Spiegel vorhalten.

OÖN: Dann sind Sie wohl auch gegen Subventionen?

Wünsch: Selbstverständlich. Subventionen töten die Qualität. Und Langzeitförderungen zerstören die Kreativität des Künstlers. Sinnvoller wäre es, statt Subventionen zu verteilen, ein Werk zu kaufen, oder eben nicht. Dieses Prinzip sollte auch für Galerien gelten. Die müssen derzeit Anträge bei der Kulturbehörde stellen und diese Bürokratie ist mit lebendiger Kunst wirklich schwer vereinbar.

OÖN: Aber das Land ist doch so stolz auf sein Fördersystem

Wünsch: Ich würde den Künstlern raten, sich an anderen, nichtstaatlichen Stellen zu orientieren. Allerdings hat kürzlich Landeshauptmann Josef Pühringer im Zuge einer öffentlichen Diskussion befürchtet, dass sich damit die Künstler in die Abhängigkeit der geldgebenden Wirtschaft begeben. Aber jetzt sind die Künstler abhängig von der Landespolitik. Vielleicht will man sich von diesem Einflussfaktor zwecks Stimmenfang nicht trennen.

OÖN: Jetzt wüten Sie aber ordentlich.

Wünsch: Nehmen Sie die positive Energie aus diesem Wüten. Warum soll ich mir ein Blatt vor den Mund nehmen? Ein gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist doch das Linzer Einkaufsparadies für Kultur, das dem Land gehört und im Ursulinenhof untergebracht ist. Der Unterschied zu einem herkömmlichen Kaufrauschtempel besteht eigentlich nur in der betriebswirtschaftlichen Umsetzung, weil der Betrieb durch öffentliches Geld ermöglicht wird. In der „Artothek“, können Bilder gegen eine moderate Gebühr entliehen werden, sie werden nicht verkauft. Aber hinter vorgehaltener Hand werden dann die Adressen der Ateliers dennoch weiter gegeben. Mit solchen Methoden wird den heimischen Galerien die Lebensgrundlage entzogen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich auf internationale Kunst zu spezialisieren.

OÖN: Fallen Ihnen weitere Provokationen ein?

Wünsch: Das sind keine Provokationen, das ist die Realität.

OÖN: Was planen Sie als Galerist?

Wünsch: Ich möchte die seit Jahren praktizierten „Artists in Residence“-Projekte, die im 2004 geschaffen „Aircube“ also „Luftraum“ stattfinden, ausbauen. Nationale und internationale Künstler bringen so Lebendigkeit in den Galeriebetrieb. Die Ausstellungen sind öffentlich und kostenlos zu besichtigen.

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,419019
© OÖNachrichten / Wimmer Medien 2010 · Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung