Die Bauherrin vom Belvedere

23. September 2009 | 09:29 | | Hedwig Kainberger
Belvedere. Die zwei Barockschlösser im dritten Bezirk in Wien stehen noch, obwohl Agnes Husslein dort seit 1. Jänner 2007 Direktorin ist.
Hedwig Kainberger
Kaum ein Raum des Oberen und des Unteren Belvedere sowie der Nachbargebäude wie Orangerie und Prunkstall wurde in den zweieinhalb Jahren, seit Agnes Husslein Museumsdirektorin ist, nicht umgestaltet oder umgebaut. Außer einigen Bildern Gustav Klimts und Egon Schieles ist kaum ein Kunstwerk dort, wo es früher war. Zudem ist das Belvedere immer mit neuer Kunst bestückt, derzeit mit drei frischen Skulpturen Franz Wests im Park und – ab heute, Mittwoch – mit „Wiener Musterzimmern“ (siehe Kasten).

Die Besucherzahl ist in den zwei Hussleinjahren um je rund 35 Prozent auf 807.000 (in 2008) geklettert, die Subvention ist von 4,4 Mill. Euro im Vorhussleinjahr 2006 auf 6,9 Mill. für 2009 gesprungen (plus 56 Prozent), die Eigenfinanzierung ist (seit 2006) von etwa 55 auf 60 Prozent gestiegen.

SN: Sind sie mehr Bauherrin als Ausstellungsmacherin?
Husslein: Ich hoffe nicht! Ich glaub, ich bin beides. Vielleicht entsteht dieser Eindruck wegen des Unteren Belvedere. In der Geschichte dieses Museums gab es viele Umschichtungen der Sammlung und veränderte Präsentationen, da wurden im Unteren Belvedere Wände und Zwischendecken eingebaut. Mir ist es gelungen, das wieder zum ursprünglichen barocken Raumgefüge rückzuführen. Das fällt natürlich jetzt ins Auge.

Zudem haben wir dort Ausstellungsräume geschaffen, die klima- und sicherheitstechnisch den heutigen Standards entsprechen. Früher war der Eingang etwas unglücklich, er war an der Seite, den hat man nicht gut gesehen. Wir haben im Ehrenhof die Mittelachse geöffnet und dort den Eingang hingegeben. So geht das Publikum jetzt direkt darauf zu.

In die Orangerie haben wir 2007 einen White Cube integriert. Damit ist sie für Ausstellungen mit unglaublich vielfältig Möglichkeiten nutzbar.

Seit Mitte 2007 ist auch der Prunkstall saniert und und enthält unsere Mittelalter-Studiensammlung. Ein neuer Verbindungsgang wurde zwischen Unterem Belvedere und Orangerie gebaut, den haben wir heuer im Sommer eröffnet.

Es ist aber auch ausstellungsmäßig viel geschehen. Diese Orte werden wieder neu bespielt. Wir machen fünfzehn Sonderausstellungen im Jahr.

SN: Sie haben auch die ständige Sammlungsschau erneuert.
Husslein: Ja, ich habe das ganze Konzept verändert. Es kommen Menschen aus der ganzen Welt hierher. Die Touristen wollen vor allem Klimt sehen, aber wir haben so viel mehr: die fantastische Barock-Sammlung mit der berühmten Messerschmidt-Sammlung, eine herrliche Mittelalter-Sammlung und einzigartige Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Von all dem zeigen wir die Zimelien als ständige Schau im Oberen Belvedere. Das funktioniert sehr gut.

SN: Ist die Neuordnung im Oberen Belvedere fertig?

Husslein: Nein. Das Mittelalter ist schon so, wie es sein soll. Das Barock haben wir aufgestellt, aber daran wird noch weitergearbeitet. Es ist eine große Herausforderung, diese Kunst im 21. Jahrhundert gut zu präsentieren.

SN: Ist dafür im Oberen Belvedere etwas umzubauen?

Husslein: Große bauliche Eingriffe werden das nicht, aber wir werden einiges adaptieren und restaurieren. Als Nächstes werden im Oberen Belvedere die Sala Terrena und die Prunkstiege restauriert. Im Zuge dessen wird die Eingangssituation neu konzipiert. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Wir müssen schließlich einen Museumsbetrieb mit etwa 800.000 Besuchern im Jahr in diesem Barockschloss unterbringen.
SN: Das derzeit größte Bauprojekt ist das 20er Haus. Warum passt das zum Belvedere?

Husslein: Das heutige Belvedere ist 1903 als „Moderne Galerie“ gegründet worden. Aus den damaligen Statuten leitet sich der noch gültige Gedanke ab: Sammlung und Präsentation österreichischer Kunst im internationalen Kontext. Zum anderen ergibt sich aus der damaligen „Modernen Galerie“ der Bezug zum Zeitgenössischen. Vor allem in den 1950er-Jahren war das Untere Belvedere ein wichtiger Ort für zeitgenössische österreichische Kunst.

1958 gab es die Weltausstellung in Brüssel, wofür Karl Schwanzer den Österreich-Pavillon gebaut hat. 1962 wurde der im Schweizergarten wieder aufgebaut und war als „Museum des 20. Jahrhunderts“ das wichtigste Museum für moderne Kunst in Österreich, bis es (mit der Dauerleihgabe der Stiftung Ludwig, Anm.) zuerst ins Palais Liechtenstein, dann 2001 ins Museumsquartier übersiedelt ist.

Nach Jahren des Leerstehens wurde der Pavillon dem Belvedere zugesprochen. Vor sechs Jahren gab es einen Wettbewerb, den Alfred Krischanitz, ein Schüler Schwanzers, gewann. Als ich hierher kam, stagnierte diese Projekt. Im Juni 2008 fand der Spatenstich für die erste Bauphase statt!

Wir brauchen hier ein Museum für österreichische Kunst ab 1945. Die wird im 20er Haus im internationalen Kontext gezeigt, so wie es für das gesamte Belvedere gilt, für die ständige Schausammlung wie für jede Sonderausstellung.

SN: Inwiefern gilt der internationale Aspekt für Sonderschauen?
Husslein: Die Waldmüller-Ausstellung (im Unteren Belvedere bis 11. Oktober, Anm.) war vorher im Louvre. Oder wenn ich Kinetismus in einer der nächsten Ausstellungen mache, verbinde ich das mit Futurismus, mit italienischen Einflüsse, mit dem Bauhaus. Oder ich kombiniere Neu mit Alt, wie Tony Cragg mit Franz Xaver Messerschmidt, oder national mit international, wie „Wien–Paris“.

Was sich durchzieht: Im Belvedere sieht man österreichische Kunst in Tiefe und Breite.

SN: Wieso in Tiefe?

Husslein: Die wissenschaftliche Recherche ist uns sehr wichtig. Auch dafür haben wir neue Räume geschaffen; das „research center“ im Unteren Belvedere wird in drei Wochen eröffnet. Wir haben ein fantastisches Archiv über österreichische Kunst, dazu unsere Bibliothek und die Provenienzforschung. All das wird öffentlich zugänglich, für Studenten, Wissenschafter und alle Interessierten.

SN: Angenommen, ich wäre die gute Ministerfee und würde Ihnen zehn Millionen Euro mitbringen. Was würden Sie damit tun?
Husslein: Ich würde für die Sammlungen zukaufen, das Barock benötigt das eine oder andere. Und zeitgenössische Kunst würde ich kaufen. Und der Klimt-Raum im Oberen Belvedere gehört neu gestaltet. Das ist auch teuer.

Dann würde ich viel Geld in die Vermittlung stecken. Zu uns kommen viele Schulklassen, und wir bieten schon viel. Wir haben auch ein Kinderatelier, das letztes Jahr eröffnet wurde. Aber da kann man noch extrem viel machen. Dann die Audioguides! Die sind wahnsinnig teuer. Ich hab das schon aufgestockt. Aber es fehlen uns Sprachen, ich hab kein Tschechisch, kein Slowakisch. Wenigstens die Nachbarsprachen bräuchten wir.

Und mir fiele auch das eine oder andere Bauprojekt ein.

SN: Welches denn?
Husslein: Zwischen Orangerie und Prunkstall ist ein Hof, über den wurde früher im Sommer das Dach der Orangerie geschoben. Diesen Hof möchte ich gern überdachen, dann hätt ich mehr Platz für die Eröffnungen. Zudem könnte man in dem neuen Raum Skulpturen aufstellen, Vorträge und Veranstaltungen machen. Das wär ganz toll und relativ einfach. Einen kleinen Betrag von der Fee würde ich sofort dafür abzweigen.

Aber ich hab auch noch ganz andere Ideen, die trau ich mir gar nicht zu sagen!

© SN/SW