Bis 17. Mai, Orangerie, Überblicksführung sonntags 16.00, Gespräch mit Adriana Czernin, 25. 3., 19.00
Verführung ist das erste Prinzip jeden Ornaments, und auch Kuratorin Sabine B. Vogel wendet diese Macht des Ornaments gleich zu Beginn an: Die kalligrafische Neonschrift von Brigitte Kowanz fängt sich funkelnd in den Spiegelornamenten der iranischen Künstlerin Monir Shahroudy Farmanfarmaian. Auf dem Boden tanzen Schattenmuster: "Eine Beglückung des Ornaments." Die 84-jährige Farmanfarmaian verschmilzt die Tradition islamischer Geometrie und spiritueller Spiegelmosaike - den Aineh-kari - mit Prinzipien des Abstrakten Expressionismus und der Minimal Art.
Jenseits der verführerischen Schönheit von Wiederholung und Gleichmaß, zwei der wichtigsten Charakteristika solch geometrischer, vegetabilischer oder animalischer Muster, stehen die Spiegelpartner Kowanz und Farmanfarmaian auch für eine andere Beobachtung Vogels: Sowohl zeitgenössische Künstler aus dem Osten wie aus dem Westen verwenden heute (wieder) das Ornament, das hier im Abendland vor 100 Jahren in Verruf geriet. "Ich fand es sehr spannend, dass Orient und Okzident auf einmal wieder eine gemeinsame Sprache haben. Und obwohl sie diese in feministischen Fragestellungen auch sehr ähnlich benutzen, sind die kulturellen Unterschiede sehr deutlich zu sehen."
Eingesponnen ins Ornament
Den Auslöser zur intensiven Beschäftigung mit dem Ornament gaben Vogel Arbeiten Adriana Czernins, die Frauengestalten in ornamentale Netze und Gitter einbettet, ja regelrecht darin einspinnt: "Ich bemerkte, dass Ornamente eine andere Funktion bekommen können und nicht mehr die liebliche Dekoration sind, sondern auf einmal im Sinne von Rollenmustern zu einer Bedrohung, zu einem Gefängnis werden." In der Gegenüberstellung von Czernins Arbeiten mit jenen Shirin Neshats treffen die islamische und die europäisch-christliche Tradition für Vogel spannungsvoll aufeinander: Formales wie Haltung und Gestik verknüpft die dargestellten Frauenfiguren, die Verwendung des Ornaments unterscheidet sie. Bei Neshats Schwarz-Weiß-Fotos (1993-1997) hennabemalter Frauen "schreibt sich das Ornament auf den Leib" , bei Czernin kippt es, stülpt sich das Prinzip: Das Muster dominiert die Umgebung, der Leib bleibt frei. Gleich daneben bricht Esther Stocker die Harmonie der Muster auf, enttäuscht Erwartungen von ästhetischer Verführung. Die Störungen der einengenden Raster bilden aber auch Lücken aus und damit Fluchtwege.
Ausgehend von der Verteufelung des Ornaments als weiblich, triebhaft und damit primitiv in Adolf Loos' Klassiker Ornament und Verbrechen (1908) und dem erotisch aufgeladenen, das "Objekt" Frau zwar umschmeichelnden, aber im Ornament geradezu auflösenden Klassiker Gustav Klimts (Wasserschlangen I) nimmt das Thema Frau in der Ausstellung viel Raum ein. Die gewählten Beispiele brechen die Klischees auf, haben aber keine Scheu mehr, für diesen Zweck die stereotypen Zuschreibungen selbst - handwerkliche Techniken wie Nähen und Sticken - zu benutzen.
Maria Hahnenkamp nutzt das Ornament als "kulturelle Spur aus der Vergangenheit", die sich als beengende Naht und zwanghafter Schnörksel über Körper zieht oder als gestichelte Linie, als Spur der Verletzung, vermeintlich dekorativ auf der Wand ausbreitet. Sakshi Gupta näht einen Quilt aus metallenen Wimpern - eine stachelige Falle. Bei Hema Upadhyay wird das Motiv des Fadens zu jenem der Gewalt und des Todes: Im floralen Kunterbunt eines Tapetendekors sind Figuren wie am Galgen aufgehängt. Rashid Rana nutzt für das Rot seines Perserteppichs abertausende Fotos von Schlachtungen.
Tapete der Folter
Noch drastischer setzt Parastou Forouhar, deren Eltern im Iran brutal ermordet wurden, das Ornament ein, es wird zum Sinnbild des "totalitären Systems" : Eine an den Jugendstil gemahnende Tapete aus männlichen Genitalien und Scheren wird zum Ornament der Folter, in dem der Mensch nur noch als Fragment sichtbar wird. Forouhar ist "die mit Abstand politischste Position der Ausstellung" , stellt Vogel fest, die ihre Arbeiten bewusst als Zwischenglied zur Kunst der Jahrhundertwende einsetzt. Im Ornament fanden damals Hochkultur und angewandte Kunst zusammen - Carl Otto Czeschkas Illustrationen des Nibelungenlieds verdeutlichen dies. An Josef Hoffmanns Textilentwürfe knüpft die Ausstellung auch den Aspekt der Abstraktion an. Markus Brüderlin hat 2001 mit seiner Ausstellung in Basel "zum ersten Mal ganz deutlich gezeigt, dass Abstraktion nicht vom Ornament zu trennen ist, dass die Abstraktion im Ornament ganz fest enthalten ist" , erklärt die Kuratorin. Die Moderne hat die Ausschließung des Ornaments gefordert, "von allen verlangt, dass sie mit dieser Tradition brechen, aber wir haben nur so getan".
Das Belvedere sei überdies der perfekte Ort für das Thema, hält
Vogel fest:Über die stark ornamentalen Räume des Schlosses gelange man
in die Orangerie, im Inneren ein White Cube, der das Ornament im Heute
behandelt. Mit der bald startenden Schau zu Alfons Mucha, einem der
herausragenden Repräsentanten des Jugendstils, und der bis 1. Februar
verlängerten Ausstellung Gustav Klimt und die Kunstschau 1908
hat man auch inhaltlich stimmige Begleiter gefunden: "Wenn heute über
das Ornament geredet werden soll und vielleicht auch noch behauptet
wird, dass das Ornament eine globale Sprache ist - was ich gerne
nahelegen möchte -, dann hier in Wien" , also 100 Jahre nach dem Streit
ums Ornament. "Das Schöne ist, dass man drüben in der
Kunstschau-Ausstellung sieht, die haben die Wände tapeziert und darauf
die Kunstwerke gehängt. Beides gehört als Gesamtkunstwerk zusammen."
(Anne Katrin Feßler, SPEZIAL - DER STANDARD/Printausgabe, 21.01.2009)